Katechese beim Maria-Sieler-Gedenknachmittag
am 29. Juli 2012
in Sankt Ruprecht an der Raab
von P. Subprior Dr. Bernhard Vošicky OCist
Zunächst möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck geben, dass ich an diesem Sonntag in der katholischen Steiermark sein darf, in der Pfarre St. Ruprecht an der Raab, und ich danke dem hochwürdigen Mitbruder für seine Begrüßung. Auch ich begrüße die vielen, die heute diese Kirche füllen! Wir sind heute zu einer besonderen Feier versammelt, der Maria Sieler-Feier.
Das Bild dieser großen Mystikerin, die uns in das Mysterium, das Geheimnis Gottes tief einführt, steht vor dem Altar. Da sie noch nicht als Selige oder Heilige angerufen werden kann, darf sie nur an den Stufen des Altares Platz nehmen, sozusagen am Saum des Gewandes Jesu. Aber Sie werden sehen, der eigentliche Platz dieser steirischen Mystikerin ist am Herzen Jesu.
Und hier hängt es: das Herz Jesu-Bild in der Pfarrkirche St. Ruprecht an der Raab, vor dem Maria Sieler schon als Kind – sie kam von Winterdorf hierher – oft gebetet und reiche Gnaden empfangen hat. Und Jesus hat ihr gesagt: Ich will den Geist meines Herzens neu in der Kirche ausgießen. Und alle, die heute hier sind, auch die vielen Priester und Ordensleute, wissen, was das bedeutet. „Ich“, sagt Jesus, der ewige Hohepriester aus seinem Priesterherzen heraus, „..will den Geist meines Herzens neu in der Kirche ausgießen.“ Ihr habt jetzt gesungen „Komm herab, Du Heiliger Geist“, und es war richtig, denn es ist heute ihr Todestag: der 60. Todestag, sicher ein Tag der Geistausgießung über die ganze Kirche, besonders über die Priester, der ihre besondere Liebe gegolten hat.
Ich möchte heute sagen: „Maria Sieler ist die Priestermutter der Steiermark“ – ein neuer Titel, aber ich glaube, er kann sich durchsetzen. Sie ist nicht Mutter, insofern sie Kinder geboren hat, denn sie war immer eine Jungfrau, eine Braut Christi, ganz Christus geweiht und ihm hingeschenkt, aber im geistlichen Sinne, im Sinne der geistlichen Mutterschaft. Also: die geistliche Priestermutter der Steiermark, so möchte ich sie heute betiteln am 60. Tag ihres Todes. Wie war das damals vor 60 Jahren? In dem schönen Buch von Josef Fiedler „Maria Sieler – Leben und Sendung“ – das Buch ist neu aufgelegt worden, neu zu beziehen und gut geeignet für Priester und Ordensleute –, da steht es drin: Am 29. Juli, das ist der heutige Tag, im Jahre 1952, da waren es der Jesuitenpater Baumann, ihr letzter Beichtvater und Seelenführer, und ihre Freundin Marianne Mayer: Sie kamen in die Wohnung in Rom, wo sie zuletzt lebte, denn sie lebte am Priesterkolleg S. Maria dell´Anima, einem der schönsten Priesterkollege für deutsche und österreichische Priester, in Rom. Es stammt eigentlich noch aus der Monarchie, denn aus der ehemaligen Monarchie kommen dort Priester zusammen, um noch ihre Studien zu vollenden und fortzusetzen. Es wird auch jetzt von einem Rektor aus Österreich geleitet, dieses Kolleg S. Maria dell´Anima, zu dem die Römer bloß sagen: „die Anima“. Dort lebte Maria gerade am richtigen Ort, denn sie wollte ja ganz für die Priester leben, sühnend opfern und betend hinter ihnen stehen. Ihr ganzes Leben galt den Priestern und der Kirche, genauer: der Kirche Christi.
Die Katechese findet man auf Youtube unter diesem Link zum Nachhören:
MARIA SIELER – PRIESTERMUTTER DER STEIERMARK (Pater Bernhard Vošicky OCist)
Das ist interessant: Sie wollte Jesus ganz ähnlich werden, und er, Jesus, wollte sie ihm ganz ähnlich machen. Sie durfte so fühlen, so spüren, so empfinden, wie der Herr. Sie durfte seine innerste Seelengesinnung erkennen und auch in ihrem Herzen nachleben, nachempfinden. Sie hat das in ihrem Tagebuch aufgezeichnet; dieses Tagebuch gibt es noch original, und ein lieber und guter Mitbruder aus der Steiermark – ich sage seinen Namen nicht – hat diese Originalblätter verwahrt, Gott sei Dank! Sie sind also erhalten. Und es gibt dort Einiges zum Edieren, zum Herausgeben. Begraben wurde Maria Sieler dann auf dem Campo Verano, das ist sozusagen der römische Zentralfriedhof, neben San Lorenzo fuori le mura. Und die Einzigen, die sie zu Grabe geleitet haben, waren Pater Ferdinand Baumann, Jesuit und ihr Beichtvater, und Fräulein Marianne Mayer. Also ein Begräbnis mit zwei Personen: ein Priester und eine Frau. Nach zehn Jahren, 1962, wurden dann ihre Gebeine in ein Nischengrab auf dem Friedhof Verano übertragen – das sind Wände, in die dann die Särge hineingeschoben werden. Und dann hat der Pfarrer von St. Ruprecht an der Raab sie herübergeführt und hier am Ortsfriedhof begraben. (Es gibt ja heute, so Gott will, noch die Gelegenheit, dorthin auf den Friedhof zu gehen.) Das schöne Grab am Friedhof von St. Ruprecht an der Raab – die Überführung erfolgt am 10. Juni 1990 durch geistlichen Rat Pfarrer Franz Kober – ist ein wunderschönes Grab, das in vielem an Sieler und ihre Berufung erinnert.
Aber was ist nun die Sendung dieser geistlichen Mutter, dieser Priestermutter der Steiermark? Nun, zunächst beginnen wir mit den Jahren ihrer Jugend. Geboren ist sie am 3. Februar 1899 hier in Winterdorf, das zu St. Ruprecht gehört, 30 Kilometer östlich von Graz. Ein intensives, teilweise mystisches Gebetsleben hat sie geführt, ohne sich bewusst zu sein, dass der Herr seine besonderen Absichten mit ihr hatte. Was ist die besondere Absicht, die der Herr hatte? Er wollte mit ihrer Hilfe und durch ihre Hilfe die Kirche erneuern. Erneuerung der Kirche: und zwar durch die Erneuerung der Priester. Denn wenn die Priester erneuert sind, dann erneuert sich durch sie und wie sie die ganze Kirche. Und dafür müssen wir heute, am 60. Todestag, danken. Danke, Maria Sieler, dass du diese Berufung ernst genommen hast. Du wolltest – und du willst es bis heute – die Kirche erneuern durch die Erneuerung der Priester. Halleluja! Ist das nicht das Schönste, was es gibt, wenn es wieder viele heilige Priester gibt? Viele betende Priester, viele Priester, die wirklich mit dem ganzen Herzen Jesus und Maria und die ganze Kirche lieben und ihr dienen! Wenn es diese glühenden Herz-Jesu-Priester und Herz-Mariä-Priester wieder gibt, dann wird die Kirche als Ganze erneuert werden. Halleluja! Und das hat auch sie verstanden, doch so einfach geht das nicht – mit einem „Halleluja“ ist nicht alles gemacht, das wissen wir, nicht?
Aber es ist schön, wenn man sich freut. Und weil es „nicht so schnell geht“, geht diese Erneuerung der Kirche durch die Priester nur über den Weg des Kreuzes. Und so dürfen wir immer sehen, dass dieses Herz-Jesu Bild, vor dem sie gebetet hat, mit einer Dornenkrone ausgerüstet ist. Die Dornenkrone rund um das Herz des Herrn. Und das hat ihr Jesus gesagt, denn sie hatte keine Visionen, sondern Auditionen, Eingebungen.
Was hat ihr der Herr eigegeben? Er hat ihr gesagt: „Die Priester, die sind meine Dornenkrone.“ Warum? Weil die Priester auch mit ihren Schwächen, Fehlern und Sünden das Herz Jesu verwunden. Niemand hätte gedacht, damals, als Maria Sieler gestorben war, 1952, dass es so eine Priesterkrise geben wird, wie wir sie jetzt erleben. Vom offenen Ungehorsam gegenüber dem Papst und der Kirche bis hin zu den Priestern, die sexuelle schwere Sünden gegenüber Jugendlichen begangen haben: Kindesmissbrauch. Letztlich sind das die Dornen, die Dornenkrone rund um das Herz Jesu. Aber jetzt spüren Sie, was das Ziel von Maria Sieler war. Jesus will abermals menschliches Tun und Wollen gebrauchen, um in seiner Menschheit der Kirche nahezukommen. Zuerst soll sein Leben langsam erlebt werden in seinem kleinsten Kinde – sie meinte damit sich selbst – und dann gnadenvoll gegeben werden in seinen Priestern. Jesus will in seiner Kirche leben. Sein Geist, er selbst will sie erneuern in seinen Priestern. Das ist der Kernsatz, meine Lieben. Jesus will heute, jetzt, in seiner Kirche leben, sein Geist, er selbst will die Kirche erneuern in seinen Priestern. Er fängt so klein und im Verborgenen an, sich opfernd, mit dem Herzblut seiner kleinsten Kinder – und an dieser Stelle scheint sie sich selber und Pater Baumann vor Augen gehabt zu haben. Es soll dies der Same sein für eine spätere Ernte. Wir haben keine andere Aufgabe als diese, alles andere macht er selbst. Eine interessante Feststellung, die wir hier machen dürfen: Es wird heute oft gesprochen, vom Osten kommend, vom Hinduismus und Buddhismus herkommend, von der Wiedergeburt, von der Reinkarnation.
Aber es gibt auch in der römisch-katholischen Kirche so etwas wie eine Wiedergeburt. Und zwar: Wir werden wiedergeboren im Wasser und im Heiligen Geist. Du bist getauft, du bist gefirmt, du bist Kind Gottes, du bist Tempel des Heiligen Geistes, du bist geliebtes Kind des Vaters im Himmel, du bist Bruder und Schwester von Jesus. Das schönste und größte Geschenk: die Gotteskindschaft. Wiedergeboren nicht aus unserer leiblichen Mutter, sondern wiedergeboren in der Taufe im Wasser und im Heiligen Geist. Und jetzt spricht Jesus auch von einer Wiedergeburt: Jesus will in seiner Kirche leben, sein Geist will in seiner Kirche leben, und er selbst will sie erneuern in seinen Priestern. Das heißt: Jesus will in seinen Priester ganz lebendig sein. Jesus will in seinen Priestern „wiedergeboren werden“ im wahrsten Sinne des Wortes. So hat er es der Maria Sieler beigebracht, hier und in Rom. Jesus will in seinen Priestern wieder zur Welt kommen. Das Leben Jesu leben als Offenbarung für die Kirche, für die Priester: nach diesem seinen Leben möchte Jesus alle Priester umgestaltet sehen. Es geht also um eine Umformung, um eine Umgestaltung der Priester. Aber nicht äußerlich, sondern innerlich. Eine Wandlung des Herzens, von innen nach außen. Wir beten doch in der Herz-Jesu-Litanei: „Jesus, demütig und sanftmütig von Herzen, bilde unser Herz nach deinem Herzen.“ Das schönste und wichtigste Wort ist dabei: „Bilde unser Herz ...“ Das Herz Jesu ist nämlich ein „Bildungshaus“ – ein „Bildungshaus der Diözese Graz-Seckau“ (und anderer Diözesen auch)! Und warum? – Du trittst in dieses „Bildungshaus“ des Herzens Jesu ein, und dort ist der Heilige Geist gleichsam der Spiritual, der geistliche Führer, und er formt dein Herz nach dem Herzen Jesu. So leben wie Jesus, so denken wie Jesus, so sprechen wie Jesus, so handeln wie Jesus, so hören wie Jesus, so fühlen wie Jesus, so empfinden wie Jesus, so spüren wie Jesus: Er schenkt dir nicht nur seine Sinne, sondern auch seine Leidenschaften – die besten natürlich – und auch seine Gefühle, seine Empfindungen. Er schenkt dir wirklich sein Herz. Auch seinen Verstand, seinen Willen und sein Gedächtnis, die drei Seelenkräfte. Es geht also um eine Umformung des Priesterherzens nach dem Herzen Jesu. Deswegen heißt es auch: „Priester nach dem Herzen Jesu“.
Aber dazu ist dieses „Bildungshaus“ des Herzens Jesu notwendig. Der Vorteil dieses Bildungshauses ist: Der Eintritt ist frei, du brauchst keine Gebühren zu zahlen, nicht einmal Kirchenbeitrag, nicht? Für das Herz Jesu nicht! Du trittst also kostenlos, gratis, in dieses Herz Jesu ein, indem du die Herz-Jesu-Litanei betest, in der Eucharistiefeier, und dann wird auf einmal der Heilige Geist beginnen, dich umzuwandeln, umzuformen und umzugestalten. Beim Priester ist das ganz notwendig. Denn der Priester muss am Ende dieses Wandlungsprozesses, dieser Umformung sagen können: „Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir“. Nicht ich denke, sondern Christus denkt in mir. Nicht ich fühle und empfinde, sondern er fühlt und empfindet in mir. Nicht ich glaube, sondern er glaubt und vertraut in mir. Nicht ich hoffe, glaube und liebe, sondern er hofft, glaubt und liebt in mir. Wir können diese „Litanei“ fortsetzen mit allen Tugenden. Sein Herz wird unser Herz. Das war die mystische Erfahrung von Maria Sieler. Jesus wird den Priestern sein Herz schenken, damit sie so denken, reden, handeln und fühlen wie er. Er will ihnen seine ganze Gesinnung verleihen. Man nennt das den „Herzensaustausch“. Und das hat sie schon beim Gebet hier in dieser Kirche vor diesem Bild erfahren. „Es ist mir alles geheimnisvoll dunkel“, schreibt sie, „ich spüre, dass ich das Werkzeug sein werde, aber alles tut er.“ Er tut alles, sie ist Werkzeug: „Es ist daher eine Wendung sowohl in meinem Innenleben als auch in meinem Äußeren. Was früher meine Arbeit und mein Bemühen noch schien, das übernimmt jetzt Jesus ganz selbst.“
Ich sehe dabei, wie selbstisch der Mensch ist. Wie gern man selbst etwas tun wollte. Man spürt, wie man ohne persönlichen bewussten Willen an sich, am Erfolg hängt. Man spürt das erst ganz, wenn dem Eigenen alles aus der Hand genommen wird. Und das ist es: Das Selbstische, das Egoistische, das Ich-Gefärbte des Priesters wird immer mehr entfernt, sodass hier Jesus wirken kann, dass Jesus sein Wirken in der Welt und in der Kirche fortsetzen kann. Das Ich des Priesters, sein Ego verschwindet immer mehr, und das Ich des Herrn tritt immer mehr hervor. Der Priester wird immer mehr Werkzeug, immer mehr Instrument, immer mehr „Operationshandschuh“ des Herrn. Der eigentlich Operierende ist dann der Herr und nicht der Priester. Der eigentlich Handelnde ist dann Jesus und nicht der Pfarrer. Wunderschön! Das ist die Erneuerung des Priestertums. Dass sie ihm immer ähnlicher werden, bis sie ein „zweiter Christus“, ein anderer Christus sind. Genau das hat Maria Sieler an sich selbst erfahren und erlebt. Und dann eben gesagt: „Das wird auch an den Priestern geschehen.“ Und wir dürfen hoffen, dass diese Zeit jetzt schon anbricht, nicht bald, sondern jetzt. Sie sagt es ganz schön: „Jetzt vollzieht sich in mir meine letzte, volle Besitznahme vom Herrn. Er gebraucht alles von mir für sich, so ähnlich wie er einst seine eigenen Lebenskräfte gebraucht hat, um bestehen zu können.“ Es ist also eine „Enteignung“, das Selbstische, Ich-Verhaftete, Ich-Verkrampfte, Egoistische wird genommen, und Christus lebt dann in uns: Galaterbrief 2,20: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“
Die Priester, die mir jetzt zuhören – und an die ist ja heute auch meine Ansprache gerichtet –, werden schon verstehen, worum es geht: Völliger Verzicht auf sich selbst, Selbstverzicht, damit Christus lebendig werden kann in uns, durch uns und mit uns. Damit wird durch ihn, mit ihm und in ihm wirken dürfen. Andere Mystiker haben das Leiden Jesu geschaut, z. B. Anna Katharina Emmerick, die schon selig gesprochen wurde, oder die Resl Neumann von Konnersreuth – Ihr Seligsprechungsprozess wurde eingeleitet am 13. Februar 2005 in Regensburg. Das waren die Mystiker, die die Leiden Jesu geschaut haben. Sie haben auch Jesu körperliche Leiden mitgelitten, z. B. der hl. Pater Pio, den Sie alle kennen. Er hat die Stigmata, die Wundmale Jesu getragen. 50 Jahre lang genau. 50 Jahre lang jeden Tag bei der Messe haben sie geblutet, die fünf Wunden: Hände, Füße, Herz, und Schmerzen größten Ausmaßes verursacht. Und er hat alle diese Schmerzen und all dieses Blut aus seinen fünf Wunden aufgeopfert für die Heiligung der Priester! 50 Jahre lang, jeden Tag! Das kann doch nicht umsonst gewesen sein.
Das waren die äußeren, körperlichen Leiden: Die Stigmata, die Wundmale. Aber das Innenleben Jesu nachzuleben, das war der guten Steirerin Maria Sieler vorbehalten. Sie hat keine Wundmale gehabt, sie hat auch keine Leiden geschaut, sondern sie durfte das Innenleben Jesu nachleben, das Herz-Leben. Deswegen ist es so wichtig, dass wir heute auf das Herz-Jesu-Bild schauen, dass sie schon als Kind sich in dieses Herz des Herrn hineingedacht und in das Innenleben Jesu hineinversenkt hat. Dieses Hineinversenken nennt man Betrachtung und Kontemplation. Damit man dann die ganze Welt nicht mehr mit den eigenen Augen sieht, sondern mit den Augen Gottes. Contemplare: mit Gottes Augen die Welt schauen. Damit man nicht mehr mit eigenen Ohren hört, sondern mit den Ohren des Herrn auf die Nöte der Menschen hört. „Kümmere du dich allein darum, dass du ganz in mich aufgenommen werdest“, hat Jesus ihr gesagt, wie ich glaube, von diesem Bild her.
Maria Sieler wurde ganz in Jesus aufgenommen, in sein Herz, in sein Inneres. Aufgesogen. Hineingezogen. „Ich werde so Großes tun, dass du es nicht ertragen kannst.“ Maria Sieler fügte hinzu: „Wenn ich es jetzt schon wüsste, würde es meine Armseligkeiten zu sehr beschämen.“ 1941 hat Jesus zu ihr gesagt: „Glaube mir, du bist das Werkzeug für meine Absichten. Das Erleben meiner Erlöserliebe, zu dem ich dich befähige, ist die Offenbarung meines Herzens an die Priester und ist der Beweis für die Schenkung meines Herzens.“ Das ist es: Jesus schenkt uns das Herz. Er schenkt dir, er schenkt mir, er schenkt uns sein Herz. Nicht etwas von sich. Nicht „a bisserl was“ wie es wir so gerne tun, „a wengerl was“, „a özerl“, „a fuzerl ...“ Auch nicht neunzig Prozent, sondern hundert Prozent: alles und ganz. Und alles ist immer mehr. So verschenkt Gott immer alles und ganz, er verschenkt sich selbst ganz. Das Herz ist Ausdruck dieser totalen Selbstverschenkung Jesu, dieser Ganzhingabe des Herrn. Wenn er das Herz verschenkt, verschenkt er alles und sich ganz. Nichts behält er für sich.
Und das gilt jetzt nicht nur für Maria Sieler, sondern für jeden Priester, und das ist die Erneuerung des Priestertums und damit die Erneuerung der Kirche. Christus schenkt den Priestern sein Herz, damit sie so denken, so sprechen, so fühlen, so handeln, so hören, so sehen, auch so empfinden wie er. Damit sie so glauben und so vertrauen und so hoffen und lieben wie er. Damit sie so wollen, so denken, so verstehen und spüren wie er. Wie oft beklagen sich bei mir Menschen und sagen: „Der Priester do hat gar koa Gspür, koa Empfinden!“ Natürlich: Weil er nur sein Ich – und vielleicht ein wenig ein paar psychologische Erkenntnisse unserer Zeit – anwenden kann. Aber wenn der Priester das Herz Jesu hat, Sein Herz, wenn er Jesus sein armseliges, sündhaftes und schwaches Herz übergeben hat und mit dem Herz ausgetauscht hat, dann kann er empfinden, dann kann er fühlen, sich hineinfühlen in die Herzen der Betreuten, der Beichtenden, der Suchenden, Ringenden, Kämpfenden und der Bedrängten. Hineinfühlen: Wir nennen das die Empathie/ das Einfühlungsvermögen. Das ist es, was Jesus uns schenken möchte: Sein Einfühlungsvermögen. „Die Priester“, sagt Maria Sieler, „sollen daran glauben, diese Gnade anstreben und sich um diese Gnade bemühen, durch die Überwindung der erbsündlichen Unordnung.“ Von der Erbsünde und ihren Folgen her ist in uns alles ungeordnet. Das kennen Sie. Der hl. Bernhard sagt einmal so schön: „Wenn nicht alles in Ordnung ist, dann ist alles in Ordnung.“ Und er meint damit: Das gehört zum täglichen Leben, das eben nicht alles in Ordnung ist, weil wir unter der Erbsünde und ihren Folgen leiden. Genau diese erbsündliche Unordnung, die ungeordnete Liebe, die ungeordnete Hoffnung, das ungeordnete Empfinden und Fühlen, das will Jesus wandeln in uns, indem er uns sein Herz schenkt.
Und dazu kommt sie, Maria Sieler, als geistige Mutter. Deswegen habe ich sie betitelt: die geistige Priestermutter der Steiermark. Die geistige Mutterschaft: Er hat sie verwendet als einen geistigen Schatz für das Priestertum. All das seelisch Errungene wird irgendwie fruchtbar in den Priestern. Alles, was sie durchgelitten, durchgestanden hat in ihrem Innenleben, als Jesus ihr sein Herz schenkte, das wird fruchtbar in den Priestern. Daher lade ich alle Priester ein: Geht an Maria Sielers Grab und bittet sie, sie möge euch Fürsprecherin sein, sie möge eure geistige Priestermutter sein und sie möge all das, was sie erfahren hat, euch weitervermitteln. Alles, was sie erlebt und seelisch errungen hat, wird auch irgendwie fruchtbar in den Priestern von heute: in den Priestern, die gern zu ihr beten und an ihrem Grab stehen. Sie sagt: „Alle Gnaden meines Innenlebens sind gleichsam Eigentum des Priestertums.“ Alles, was sie erlebt hat, wollte sie den Priestern weitergeben. Die Priester können gleichsam aus Maria schöpfen wie aus einem Brunnen. „Jeder wird vom Herrn das erlangen, worum er ihn bittet. Denn dieser Schatz ist opfern vor Christus von mir vorverdient worden.“ So wie eine ganz gewöhnliche Mutter ihre Erbanlagen auf ihre Nachkommen überträgt, sodass dann die Nachkommen sagen: „Das hat er von seiner Mutter! Der ist ja genauso wie seine Mutter!“ Oder wie die Väter ihre Anlagen übertragen, sodass dann ein großer Komponist unter seinen Kindern eben auch einige Musikbegabte hat, so ist es auch bei Maria Sieler: Alle ihre Gnaden, die Jesus ihr aus seinem Herzen geschenkt hat, sein Innenleben, hat er ihr geschenkt für die Priester. So wird eine Mutter ihre Anlagen auf die Nachkommenschaft übertragen, und so will sie, Maria Sieler, ihr inneres Leben, alle inneren Gnaden und die erreichte Vereinigung mit Christus wie eine Vererbung weiterleiten an die Priester in der Kirche.
„Hinter jedem Priester“, sagt Maria Sieler, „stehen viele Laien als Opferseelen und Sühneseelen“ – heute nicht gerade zeitgemäße Worte, aber nicht alles, was zeitgemäß ist, ist gut. Wer ist schon heute gerne eine Opfer- und Sühneseele für die Priester? Aber alles, was sie für Priester beten, opfern und büßen, bringt dreißigfach, sechzigfach, hundertfach Frucht. – Halleluja! – Es sind hier heute nicht nur Priester und Ordensleute gekommen, sondern auch viele, viele Laien und Gott sei Dank auch viele Jugendliche. Ich bin erstaunt, wie viele junge Menschen hier sind. Maria Sieler sagt euch: Wenn ihr nur ein „Gegrüßet seist du, Maria“ am Tag betest für die Priester oder nur ein „Jesus, demütig und sanftmütig von Herzen, bilde das Herz meines Pfarrers nach deinem Herzen“ , und wenn du nicht mehr über die Bischöfe schimpfst, über den Papst und über die Priester, sondern wenn du für sie betest und opferst und sühnst, dann wird die Kirche heilig werden, immer mehr und immer stärker: Heiligung der Priester – Heiligung der Kirche! Das war das Anliegen von Maria Sieler, als Sühneseele, Opferseele hinter den Priestern zu stehen.
Wissen wir übrigens nicht, dass unser Herr verurteilt und gekreuzigt wurde von den Priestern? Jetzt wird es spannend: Schaut nach in der Heiligen Schrift! Dann werdet ihr sehen, dass Christus verurteilt und gekreuzigt wurde kommt letztlich nicht von den Juden und nicht von den Heiden, den Römern, von Pontius Pilatus, sondern das kommt von den Priestern! Es waren die Priester des jüdischen Volkes, die ihn verurteilt und gekreuzigt haben. „Es waren die Priester“, schreibt Maria Sieler, „die die bittersten Vorwürfe erhielten vonseiten des Sohnes Gottes.“ Wenn Sie in der Heiligen Schrift nachschlagen, dann werden Sie es sehen: das Gericht über die Priester Seiner Zeit ist das Ärgste. Sie bekommen die bittersten Vorwürfe vonseiten des Gottessohnes. Und nun sagt Maria Sieler: „Und heute noch, ja ja, heute noch sind es die Priester, die die Ursache all unseres Unglücks sind, weil sie nicht treu sind gegenüber ihrer Berufung.“ Das können Sie nachlesen in einem Brief der Maria Sieler, und ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dies zu erkennen. Die Untreue, der Ungehorsam vieler Priester heute ist Ursache vielen Unheils. „Omne malum a clero“ – „Alles Übel kommt vom Klerus.“ Ein furchtbares Wort! Christus wurde verurteilt und gekreuzigt von den jüdischen Priestern aus dem Volk Israel – und jetzt aus dem neuen Gottesvolk, aus der Kirche.
Die Priesternot unserer Zeit sehen und sühnen: Maria Sieler hat nie geschimpft, weder über den Papst noch über die Bischöfe noch über die Priester, auch nicht über sündige Priester, selbst nicht über schwer sündige Priester, sondern sie hat geantwortet mit Sühne. Und Sühne heißt: Buße tun für andere. Sich für andere einsetzen, für andere beten, für andere opfern, für andere leiden, also in diesem Fall für Priester beten, opfern und leiden. Sühnen heißt, nicht für die eigenen Sünden, sondern für die Sünden anderer die eine oder andere harte Strapaze, das eine oder andere Leiden auf sich nehmen. Dementsprechend ist auch die Sühne der Seelen für die Priester schmerzlicher, schärfer und leidvoller. Die Sühne für die Sünden der Priester sind gleichsam eine Wiederholung des Leidens, das verursacht wurde durch die Dornen, die das Herz Christi verwundet hatten. Wieder schauen wir auf das Bild, die Dornen und das Herz Jesu: Es sind die Priester, die es verwunden.
Und jetzt kommt das Interessanteste: Maria Sieler sagt: Jesus Christus wird in seiner Kirche ein Werk schaffen, das Werk des Hohenpriesters. Es ist nicht Menschenwerk, sondern Christi Werk, Werk Jesu Christi, des Hohenpriesters Jesus Christus. Ein Priesterinstitut! Bis zu ihrem Tod vor 60 Jahren war Maria Sieler davon beseelt: Ein solches Priesterinstitut wird kommen. Und Bischof Rudolf Graber von Regensburg hat dann erkannt, dass es gilt, dieses „Opus Summi Sacerdotis“, dieses Werk des Hohenpriesters zu gründen. Er hat es getan, und er hat es dankenswerterweise getan.
Ich stand heute noch vor dem Leopoldinum, dem Priesterseminar in Heiligenkreuz, denn dort steht auf einer großen Steintafel geschrieben: „Zum Gedenken an Bischof Rudolf Graber von Regensburg, dem Gründer des Werkes des Hohenpriesters (= Opus Summi Sacerdotis) und des Priesterseminars Rudolfinum (jetzt heißt es Leopoldinum, weil es vom Stift Heiligenkreuz übernommen wurde und der hl. Leopold unser Stifter ist). Warum ein solches Institut, warum ein solches Werk? „Ich will“, sagt Jesus zu Maria Sieler, „meine Liebe verströmen lassen auf alle Priester meiner Kirche. Ich will sie besonders in einem Werke ausströmen lassen, das ich bilden werde für meine Priester. Das soll zur Zentrale der Gnade werden und gleichsam das Senfkörnlein, das sich über die ganze Welt verbreiten soll, da ich alle Priester an mein Herz ziehen will.“ Also in Heiligenkreuz das Priesterseminar Leopoldinum/Rudolfinum als Werk des Hohenpriesters ist ein kleines Senfkörnchen für die ganze Welt.
Und wir freuen uns, dass wir eine Hochschule päpstlichen Rechtes haben dürfen, die den Namen Benedikts XVI. trägt. Wir freuen uns, dass immer mehr Priesterstudenten nach Heilgenkreuz strömen, auch aus der Steiermark. – Halleluja! Das Werk soll den Namen haben „das Werk des Hohenpriesters“, „weil“, so sagt der Herr zu Maria Sieler, „ich selbst der Gründer des Werkes sein werde.“ Also nicht Bischof Graber, auch nicht Heiligenkreuz, sondern Christus selbst, der Hohepriester Jesus Christus selbst hat dieses Werk gegründet. Und er wird sorgen, dass Priester kommen, er wird sorgen, dass Priester ausgebildet werden. Neulich hat eine Frau zu mir gesagt: „Des ist komisch, des kleane Drecknest da im Wienerwoid, schaut ja goar nix gleich! Und so viel Priester gengan do hervor?“
Das ist es eben: Gott sucht das Kleine, das Bescheidene und das Schlichte, um das Starke zu beschämen. Er senkt dort ein kleines Senfkorn in die Erde für die ganze Welt – ein Senfkörnlein! „Und darin werde ich meine Absichten verwirklichen, die ich für die Erneuerung des Priestertums habe. In diesem Werk will ich eine Anzahl bilden, die ganz nach meinem Geiste leben, so wie ich sie dem heutigen Zeitgeist entgegenstellen will.“ Und wissen Sie, wann das Jesus gesagt hat? 1937, kurz bevor der Anschluss an Deutschland kam durch Adolf Hitler, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Niemals hätte man damals gedacht, dass eine Zeit kommen wird, wo sich viele Priester dem modernen Zeitgeist ganz anpassen und nicht dem Heiligen Geist nachleben.
Genau das ist der Sinn dieses Werkes des Hohenpriesters: Ganz nach dem Geiste Gottes, nach dem Geiste Jesu, nach dem Heiligen Geist leben, der im Herze Jesu lebt und wirkt. Nicht nach dem heutigen Zeitgeist, dem modernen Geist, sondern nach dem Heiligen Geist! „Meiner Gesellschaft, “ sagt Jesus zu Maria Sieler, „will ich den Vorrang geben, diese neuen Gnaden des Priesterseins zu verkünden.“ Was sind diese neuen Gnaden? Die Priester sollen wirklich Jesu Herz geschenkt bekommen, den Geist Christi, den Heiligen Geist, der dem Zeitgeist und dem bösen Geist entgegensteht. Die Priester werden also wirklich Exorzisten sein, sie werden den modernen Geist, den Zeitgeist, den bösen Geist, die Dämonen und den Satan austreiben und den Geist Christi, den Heiligen Geist wieder in die Herzen der Menschen bringen. Am Friedhof in St. Ruprecht an der Raab, hier in diesem schönen Ort, liegt nun dieses kleine Senfkorn Maria Sieler – bedeutungsvoll für die ganze Welt. Ich habe mir immer gewünscht: „Einmal möchte ich hier sein, hier predigen dürfen und hier das verkündigen dürfen!“ Das war schon vor vielen Jahren. Und heute ist dieser Traum in Erfüllung gegangen. Danke, Maria Sieler!
Neue Gnaden: Was sind diese „neuen Gnaden“, diese Charismata, die da den Priestern geschenkt werden? Wenn die Priester das Herz Jesu geschenkt bekommen, dann werden sie ein zweiter Christus, ein anderer Christus sein. Das heißt: Sein Erlöserleben, sein Erlösersorgen um die Seelen wird auf die Priester übergehen. Das heißt, die Priester werden wieder echte Seelsorger sein! Nicht Entertainer und Discjockeys! Nicht Unterhalter von einem Pfarrfest zum anderen! Sondern sie werden wieder die Menschen in die Tiefe führen. Sie werden wieder die Seelen der Menschen an Gott binden – Seelsorge! „Herr, gib mir Seelen, alles andere nimm mir weg! – Da mihi animas, cetera tolle!“ „Suprema lex est salus animarum“ steht am Schluss des Kirchenrechtes, Codex Iuris Canonici. Das oberste Gesetz, das oberste Gebot ist das Heil der Seelen.
Die Priester werden also wieder für das Seelenheil sorgen und die Seelen an Gott binden, an das Herz Jesu und an das unbefleckte Herz Mariens. Und wie? Indem sie sich selber beständig mitopfern mit der hl. Messe. Das ist Maria Sieler, und deshalb steht ihr Bild unter dem Altar. Sie sagt: Die Priester werden sich selbst wieder als „hostia viva“, als lebendige Opfergabe, Christus darbringen. Sie werden nicht nur die Wandlungsworte sprechen und die Wandlungsgesten am Altar vollziehen und Brot und Wein in Leib und Blut Christi verwandeln, sondern sie werden ihr eigenes Herzblut mitwandeln lassen, ihr eigenes Leben, ihren eigenen Leib mitopfern. Dieses beständige Mitopfern mit Jesus auf dem Altar, diese Gesinnung wird in ihr tägliches Priesterleben einfließen. Das ist es: Die Priester der Zukunft werden nur dann Priester sein, wenn sie sich mitopfern mit Christus am Altar, wenn sie eine „hostia viva“, eine lebendige Opfergabe sind. „Ich nehme sie durch ihr Mitopfern in mich auf und gebe mich ihnen zurück. Dieser Strom meines Lebens wird meine ganze Kirche überfluten“, sagt Jesus zu Maria Sieler.
Umwandlung der Gesinnung – Opfergesinnung. Der Priester an Christi Stelle setzt das Erlösungswerk in der Kirche fort. „Ein halbes Opfer blutet, ein ganzes Opfer flammt.“ Ein halbes Opfer ist es, wenn der Priester nur die Liturgie, den Gottesdienst, die Riten am Altar vollzieht. Ein ganzes Opfer ist es, wenn er sich selbst in Christus, mit Christus, durch Christus dem Vater verschenkt, wenn er sich mitopfert, wenn er in das Opfer Christi eingeht und sich mit dem Opfer Christi an den Vater darbringen lässt. Ein ganzes Opfer flammt: Mit Christus an den Vater im Heiligen Geist!
Wir stehen bald im Jahr des Glaubens, es wird am 11. Oktober 2012 beginnen, Papst Benedikt XVI. hat es ausgerufen. Und Maria Sieler sagt: „Im Glauben an Jesus Christus lag die Kraft und der Erfolg der Apostel.“ Der Priester ist unbedingt und unmittelbar der, zu dem Christus wie zu den Aposteln sprach: „Geht hin und verkündet das Wort Gottes, verkündet mich, den der Vater gesandt hat, und wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Je tiefer die Priester Christus angehören, umso mehr werden sie ihn und nicht sich selbst verkünden.
Das ist das Heilmittel gegen alle Übel der Zeit: heilige Priester, die sich mit Christus mitopfern am Altar an den Vater; heilige Priester, die das Herz Jesu in ihrem Inneren tragen, seine Gesinnung, sind das wahre Heilmittel gegen die Übel der Zeit, das wahre Medikament gegen die Übel in der Kirche. Jesus fängt klein an, mit wenigen, wie einst mit seinen zwölf Aposteln. Daher macht es nichts, wenn heute nur wenige Priester da sind: Er fängt klein an. Aber wenn er uns, liebe Mitbrüder, sein Herz schenkt, und wir dürfen es heute am 60. Todestag von Maria Sieler erbitten, dann werden wir ein zweiter Christus sein: Er fängt klein an, mit wenigen, wie einst mit zwölf Aposteln. Aber sein Werk wird so stark, dass es die ganze Kirche erneuert, durchdringt durch sein tiefstes Geheimnis, den Glauben. Der Glaube bildet den einzelnen Priester und damit schließlich im gewissen Sinne die ganze Kirche um.
Wenn du glaubst, wenn du vertraust, geschieht die große Wandlung. Barmherziger Jesus, ich vertraue auf dich! Wie einst die Apostel, so verkündet der Priester Christus, den Erlöser, den Gekreuzigten, und im Glauben und im Vertrauen auf ihn wächst und reift das Priesterwerk. Dieses Priesterwerk ist nicht gedacht als allgemeine Priestervereinigung, sondern es soll übernational sein und kann Ordens- und Weltpriester umfassen.
Ich darf zusammenfassen: Jeder Priester darf ein sichtbarer Stellvertreter des unsichtbaren Christus sein. Jeder Priester darf und soll Christus als Haupt der Kirche darstellen und erfahrbar machen. Jesus Christus will als Haupt der Kirche durch die Priester und mit ihnen handeln und wirken. Er will mittels der Hände der Priester und mittels der Zunge der Priester von Sünden und Sündenstrafen lossprechen. Er möchte mit den Händen der Priester taufen, Kranke salben, aufrichten und stärken, trösten und vom Bösen befreien, von den Mächten und Gewalten der Finsternis losreißen und siegen. Christus möchte mit dem Priester und durch den Priester Brot und Wein wandeln, aber auch die Herzen der Menschen. Brot und Wein in seinen Leib und sein Blut umwandeln und die Herzen nach dem Herzen Jesu. Der Priester ist ein zweiter Christus, ein anderer Christus durch die Weihe.
Aber diese Weihegnade ist kein Garantieschein für die Heiligkeit. Ein geweihter Priester ist nicht automatisch ein Heiliger! Das haben Sie längst bemerkt, nicht? Die Gegenwart Christi in dem Amtsträger ist nicht so zu verstehen, dass er gegen alle menschlichen Schwächen gefeit wäre. Es gibt auch für den Priester viele Gefahren: Herrschsucht, Irrtum, persönliche schwere Sünden. Und manche sündhafte Handlungen der Priester hinterlassen fürchterliche Spuren in den Seelen der Menschen und schaden der apostolischen Fruchtbarkeit der Kirche.
Daher brauchen die Priester die Erneuerung des Herzens: Durch das Bußsakrament, durch die persönliche Beichte. Ohne die persönliche Beichte können wir nie heilige Priester werden und nimmer mehr sein. – Und auch keine heiligen Laien! Der Priester ist eine Ikone Christi so wie Christus eine Ikone des Vaters ist und Maria, die Unbefleckte, eine Ikone des Heiligen Geistes. Schauen wir noch auf sie. Maria Sieler, die vor sechzig Jahren verstorben ist, hat auch das unbefleckte Herz Mariens verehrt: Das zweite Bild hier im Altarraum – wunderschön, hier Gott sei Dank aufbewahrt. Jesus und Maria – Maria und Jesus.
So wie Jesus dem Priester seine Gesinnung schenkt, so schenkt auch Maria dem Priester ihre Gesinnung, ihr Herz: ihr unbeflecktes Herz, ihr jungfräuliches Herz. Die Kirche sagt, dass der Priester durch das Weihesakrament in der Kraft Christi des Hauptes der Kirche handelt und lebt. Es ist die gleiche Person Jesu Christi, die der Priester, sein berufener Sohn vertritt. Durch die Priesterweihe sind wir dem Hohenpriester Jesus Christus angeglichen, besitzen wir die Vollmacht, in der Kraft und anstelle der Person Jesu Christi selbst zu handeln. Und Maria steht nun ganz hinter dem Priester, opfernd, sühnend, betend, hinter ihren vielgeliebten Priestersöhnen, und sieht zu, dass sie Jesus Christus, ihrem Sohn, dem ewigen Hohenpriester immer ähnlicher werden. Und genau das ist die Position von Maria Sieler. Auch sie hat vieles durchgelitten, durchgestanden, damit die Priester immer mehr Priester nach dem Herzen Jesu werden und sein können.
Ich schließe mit einer sehr lapidaren Feststellung: Diese Feststellung betrifft das Priesterwerk, von dem ich heute schon gesprochen habe, das „Opus Summi Sacerdotis“. In dem Buch wird darauf hingewiesen, dass Bischof Graber von Regensburg 1971 den Versuch gemacht hat, dieses Priesterwerk zu gründen. 1971! Das ist schon wieder vierzig Jahre her. Und damals haben sich dreihundert Priester in Österreich und ebenso dreihundert aus der Bundesrepublik Deutschland zum Beitritt zu diesem Priesterwerk „Opus Summi Sacerdotis“ gemeldet. Heute melden sich Priester für andere Initiativen: Sie sehen den Gegensatz. Und dann hat Bischof Graber in Heiligenkreuz dieses Spätberufenen-Seminar, später Priesterseminar gegründet, um eben die Erneuerung des Priestertums nach dem Herzen Jesu zu ermöglichen.
Warum Maria Sieler sich opfern wollte, erhellt aus den Worten, mit denen der Herr ihr seinen eigenen Wunsch erklärte, als sie 25 Jahre alt war. „Du, Maria Sieler, sollst mir Opfer sein für meine Kirche. Du sollst mir Opfer sein für die Erneuerung des Priestertums.“ Vertrauen wir ihr. Der Herr wird durch sie zu einer Erneuerung der Kirche beitragen. Es wird zu einer Erneuerung der Kirche kommen durch die Erneuerung des Priestertums. Dienerin Gottes, liebe große steirische Mystikerin und geistige Priestermutter der Steiermark Maria Sieler! Bitte du für uns und für die Priester unserer Zeit. Amen, halleluja!