Die Sehnsucht nach Ehe und Familie gehört zum Grundbedürfnis jedes Mannes. Auf welche Weise ist der Priester gerufen, diesen Wunsch in den zölibatären Lebensstil zu integrieren? Die vorliegende Arbeit will eine Antwort finden. (Aus der Einleitung)
Herzlichen Dank an Pater Leonhard für die Zurverfügungstellung der vorliegenden Arbeit über den Priester als Bräutigam der Kirche. Hier zum kostenlosen Download:
Im Wortlaut:
ATENEO PONTIFICIO REGINA APOSTOLORUM
Facoltà di Teologia
Der Priester als Bräutigam der Kirche
Professore: P. Tobias Völkl, L.C.
Studente: H. Leonhard Maier, L.C.
Numero di matricola: 7277
ETEO101 Elaboratum per il primo ciclo
Roma, 30 aprile 2015
Inhaltsverzeichnis
EINFÜHRUNG
I. BRÄUTLICHE DIMENSION VON JESU PRIESTERTUM
A. Neuheit der Ehelosigkeit Jesu
B. Bräutigam des erneuerten Israel
C. Paradox und Geheimnis der Braut
D. Vorzug des Zölibates für den Vergegenwärtiger des Bräutigams
II. KENOTISCHE DIMENSION DES PRIESTERTUMS: KIRCHLICHES DIENSTAMT IN PERSONA CHRISTI
A. Priesterliche Berufung als Initiative Gottes
B. Wesen des Priesters als Verlängerung der Menschwerdung Gottes
C. Völlige Abhängigkeit von der Gnade Gottes
D. Enteignung des Priesters
E. Verfügbarkeit unterschiedslos für alle
F. Ganzhingabe des Priesters an seine Braut
1. Leiden und Sterben
2. Reale Hingabe im konkreten Menschen
3. Eucharistiefeier in lebendiger Ganzhingabe
G. Dienst des Bräutigams an der Braut:
1. Beschützen und Retten
2. Ernähren
3. Heiligung, Erbauuung und Erziehung
III. EROS DES PRIESTERS ALS BRÄUTIGAM DER KIRCHE
A. Affektive Reife
B. Integration der Sexualität in den zölibatären Lebensstil
C. Sexualität als Energie für Beziehungen
D. Übersinnlicher Eros
E. Reinigung eines ungeordneten Eros in eine geordnete Agape
F. Jungfräulichkeit und ihre Körpersprache
G. Gott-Erfüllte Einsamkeit durch intimes Gebet
H. Notwendigkeit der Ergänzung durch die Frau Maria
I. Priesterliche Fruchtbarkeit
ABSCHLUSS UND PERSÖNLICHES URTEIL
BIBLIOGRAPHIE
EINFÜHRUNG
Die Sehnsucht nach Ehe und Familie gehört zum Grundbedürfnis jedes Mannes. Auf welche Weise ist der Priester gerufen, diesen Wunsch in den zölibatären Lebensstil zu integrieren? Die vorliegende Arbeit will eine Antwort finden.
Zuerst haben wir uns von Hans Urs von Balthasar und seinen Überlegungen bezüglich des zölibatären Dienstamtes inspirieren lassen, was jedoch zu keiner vollends befriedigenden Lösung unserer Frage beitragen konnte: Er war uns zu wenig konkret. Wir wurden bei anderen Autoren wie Amadeo Cencini, Scott Hahn, Johannes Paul II. und vor allem bei Klaus Berger fündig, viel mehr, als wir uns anfangs zu hoffen wagten.
Wir empfehlen diese Lektüre vor allem jenen, die sich für ein vertieftes theologisches Verständnis und eine erfüllte Verwirklichung des Zölibates für Priester in der katholischen Kirche interessieren.
In drei Kapiteln setzen wir uns zuerst mit der bräutlichen Dimension des Priestertums und seiner biblische Grundlage auseinander, dann mit dem kenotischen Aspekt des Priesteramtes als Dienst an der Kirche und schließlich mit dem subjektiven Bewältigen dieses außergewöhnlichen Lebensentwurfes.
I.
BRÄUTLICHE DIMENSION VON JESU PRIESTERTUM
A. Neuheit der Ehelosigkeit Jesu
„Sacerdos alter Christus“ ist wohl die kürzeste Form, das Wesen des katholischen Priesters zusammenzufassen. Um die Nachfolge Jesu im Priestertum zu begreifen, müssen wir uns zuerst mit dem Lebensstil des menschgewordenen Gottes auseinandersetzen. Für diese Arbeit interessiert uns die Ehelosigkeit Jesu, die damals „ein krasses, unübersehbares Signal“ und eine absolute Neuheit darstellte, denn im Judentum war die Ehe das bevorzugte und heilige Lebensmodell . In der Tradition der alttestamentlichen Propheten zeigte die Weise der Ehepraxis nicht selten den Kern der Botschaft auf. So hat Hosea durch sein Zusammenleben mit einer Prostituierten den Götzendienst Israels veranschaulicht. In diesem Sinne bekommt das Ehe-nicht-Leben Jesu einen tieferen Sinn . Er ist der einzige Hohepriester (KKK 1544). Nun war es aber im Judentum zur Zeit Jesu so, dass jede Art von unmittelbarem Kontakt zur himmlischen Welt die Ausübung der Sexualität ausschloss , sozusagen „aus Gründen kultischer Reinheit“ . In diesem Sinne war das ehelose Leben Jesu zutiefst priesterlich.
B. Bräutigam des erneuerten Israel
Originell ist die Weise, in der sich Jesus als Messias präsentiert, nämlich als Bräutigam Israels . „Demonstrativ und im Sinne einer Zeichenhandlung“ ist Jesus ehelos gekommen, um seine Braut zu „erobern“, ihr den Heiratsantrag zu stellen und zu verkünden, dass der Zeitpunkt der Hochzeit feststeht, nämlich am Tag seines Wiederkommens . Die Auserwählte jedoch lehnt sein Werben ab, weswegen sich der Messias ein neues Volk zur Braut erwählt: seine Kirche. Bis es zur Hochzeit kommt, müssen die letzten Tage vergehen, „die Zeit eines besonderen erwartungsvollen Liebesverhältnisses zwischen Christus und Kirche“ . Diese Wirklichkeit findet ihren Wiederhall in vielfältigen biblischen und frühkirchlichen Bildern : Jesus wird oft feiernd und wenig fastend angetroffen, weil er als zukünftiger Bräutigam mit seinen Jüngern die typisch jüdische Vorhochzeit begeht (Mk 2,18-20); während der Täufer draußen in der Wüste haust, darf Christus als Bräutigam bei seinem Volk sein (Joh 3,27-30); Paulus versteht sich in der Rolle des Brautführers, der die Kirche in jungfräulichem Zustand dem Bräutigam zuführen soll (2 Kor 11,2f); der in der jüdischen Tradition stehende Bräutigam Jesus von Nazareth weiß sich verantwortlich für das Äußere seiner Braut (Eph 5,25-28a); die bräutliche Kirche existiert schon, muss sich aber noch vorbereiten für die Hochzeit mit dem Lamm (Offb 19,6-9; 21,2; 22,17); Propheten der Urgemeinde werden vorgestellt, die ohne bräutlichen Verkehr mit einer Frau zusammenleben, um zeichenhaft den auf die Hochzeit wartenden Zustand der Kirche auf Erden darzustellen (Didache 11,11). Deutlich wird in allen diesen Bildern die Rolle Jesu als zentraler „Kopf“ der Kirche. Das ist die Weise, in der wir die Funktion des Priesters erklären können .
C. Paradox und Geheimnis der Braut
Um den Priester als Bräutigam verstehen zu können, müssen wir kurz auf seine Braut, die Kirche, eingehen. Das Besondere ist, dass diese Braut „einerseits existiert, andererseits noch am werden ist“ , denn erst seit der Selbsthingabe Jesu fängt die Kirche an, die zu sein, die sie nach dem Plan Gottes sein soll . Sie ist keine Einzelperson, sondern eine Gemeinschaft, ein kollektives Subjekt, das sich aus vielen Frauen und Männern zusammensetzt . Nun stellt sich die Frage, wie der Priester die Zuwendung zur Kirche mit der Hingabe an Gott vereinbaren kann. Damit hier kein Widerspruch aufkommt, muss er in der Kirche immer eine auf Christus verweisende Instanz sehen . Seine Hingabe hat jedoch tatsächlich zwei Empfänger: zum einen Christus und zum anderen alle Glieder seines mystischen Leibes, die für unsere Augen sichtbaren als auch die unsichtbaren , die zusammen Vergegenwärtigung Jesu Christi sind . Keine echte Liebe zu Gott ist nur exklusiv, sondern immer alles miteinschließend . Die Braut des Priesters ist nichts, was ihm fremd wäre, denn die Kirche ist Frucht der Liebe Christi und als solche sehnt sich jeder Mensch nach ihr .
D. Vorzug des Zölibates für den Vergegenwärtiger des Bräutigams
Immer deutlicher steht uns nun vor Augen, weshalb aus übernatürlicher Sichtweise mehr dafür als dagegen spricht, ausschließlich Zölibatäre zur Priesterweihe zuzulassen . Solche Ehelosigkeit ergibt sich direkt „aus der Offenbarung Gottes in Jesus Christus“ . Auf die Kritik, der „alleinlebende“ Priester sei nicht vertraut mit wichtigen intimen Erfahrungen, antworten wir mit Hans Urs von Balhasar: „Wenn der Zölibat so gelebt wird, wie er gemeint ist, in christlicher Freude, Armut, Hingabe, Offenheit für Gott und die Menschen, dann schließt er auch ein Wissen um alles Menschliche in sich“ . Dieser Lebensstil ist nicht ein Weniger an Freiheit, sondern ein Mehr, denn das menschliche Liebespotenzial wird losgelöst von einer bloßen Fixierung auf das Sexuelle und der Mensch wird mehr eins mit sich selbst, befreit vom unerlösten Hin- und Her-Gerissensein . Richtig wird der Zölibat nur dann gesehen, wenn er aus Liebe erkoren wird. Durch seine Praxis wird der Mann und Priester als Ganzer zum Boten, der die Liebe Gottes glaubhaft in die Zeiten hineinträgt . Ja, es gibt verheiratetete Männer, die legitim zu Priestern geweiht worden sind. Doch wird der im Zölibat lebende Mann immer in vollkommenerer Weise den bräutlichen Apsekt des Priesterdasein darstellen können.
II.
KENOTISCHE DIMENSION DES PRIESTERTUMS: KIRCHLICHES DIENSTAMT IN PERSONA CHRISTI
Gerne wird argumentiert, dass aufgrund der gleichen Würde der Geschlechter auch Frauen ordiniert werden sollten. Im Priestertum wird sozusagen eine Machtposition gesehen. Hier jedoch wollen wir das Wesen eines Priesters als Knecht (Phil 2,7) definieren und seinen Dienst als „unbedingtes Ja zu seiner Gemeinde“ .
A. Priesterliche Berufung als Initiative Gottes
Die Berufung der zwölf Apostel können wir nur verstehen im Zusammenhang des bräutlichen Verhältnisses zwischen Christus und Kirche. „Frei und unabhängig“ habe er diese Männer in eine ganz spezifische Nachfolge gerufen, ohne dabei irgendwelche jüdischen Gepflogenheiten nachzuahmen. Nicht die Schüler suchen sich den Rabbi aus, sondern der Herr erwählt gezielt seine Apostel. Einzig die begrenzte Zahl der „Zwölf“ wird mit dem sakramentalen Auftrag zur Feier der Eucharistie (Lk 22, 19; 1 Kor 11, 24) und zur Sündenvergebung (Joh 20, 23) betraut. Der Priester Paulus sieht sich in dieser Linie als Gesandter „an Christi Statt“ (2 Kor 5, 20).
B. Wesen des Priesters als Verlängerung der Menschwerdung Gottes
Diese Sendung durch das fleischgewordene Wort ist nicht Aufgabe, die getan werden muss, sondern „Vertretung des Hauptes“ , „reale Vergegenwärtigung“ und Verlängerung der Menschwerdung Gottes . Kein Christ soll deshalb Glied der Kirche sein ohne ein liebevolles Verbundensein mit einem solchen stellvertretenden Bräutigam . Der ehelos lebende Paulus ist als „das für die Gemeinde sichtbare „Prägmal“ (typos) Christi [...] gleichsam sakramentales Zeichen“ und kann als solches „um Liebe werben“ . Christus und sein Heilswirken sind auf innigste Weise verwoben mit der Sendung seiner Mitarbeiter, so dass sich nicht vermeiden lässt, „Amt und Zölibat in einer existenziellen Einheit zu sehen“ . Der Amtsträger, der nicht voller Überzeugung den zölibatären Lebensstil im Sinne einer Nachahmung Christi verwirklicht , kann keine reale „Inszenierung“ des fleischgewordenen Gottes mehr sein und lässt auf diese Weise sein Tun und Dasein „leeres Theater“ werden. So einem Priester mangelt das radikalste „Alibi“ seiner Zugehörigkeit zu Jesus , welches höchstens durch das Martyrium erreicht werden kann. Im Kern seines Mannseins beraubt er sich nämlich selbst der Nachahmung Christi . Die Priesterweihe macht aus einem Menschen „lebendiges Abbild des Vaters“ (KKK 1549), so dass er von da an in der Kirche das Gesicht Christi verkörpert . Mit der Priesterweihe muss eine umfassende Anpassung an die Lebensweise Jesu einhergehen, „ein Sicheinfühlen in das Herz Christi als des Bräutigams, der sein Leben für die Braut hingibt“ . Am deutlichsten wird diese Teilnahme des Priesters an der Beziehung zwischen Christus und Kirche während der eucharistischen Wandlung und bei der Lossprechung im Sakrament der Versöhnung, wenn das „Ich“ Christi und das „Ich“ des Priesters miteinander verschmelzen .
C. Völlige Abhängigkeit von der Gnade Gottes
Priestersein und Ehelosigkeit kann der Mann sich nicht mit der Zeit beibringen, sozusagen „als Frucht einer freien Entscheidung“ , sondern er muss es sich schenken lassen als eine Gabe, die menschlich nicht erklärbar ist: „Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist“ (Mt 19, 11). Christus will das Geheimnis seiner sowohl jungfräulichen als auch bräutlichen Liebe mit allen Bischöfen und Priestern teilen: Was er von Natur aus gelebt hat, werden jene aus Gnade leben , „aufgrund eines „Auftrags“ : „denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15, 5). Damit der Priester seinen Dienst erfüllen kann, bekommt er von Gott die Kraft dazu , und so kann Paulus schreiben: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ (Phil 4, 13). Unverdient erhält jeder Priester „eine übernatürliche Erfüllung dessen, was Gott ihnen von Natur aus gegeben hat: Männlichkeit, Maskulinität, Vaterschaft… Besser geht es nicht“ .
D. Enteignung des Priesters
Dass der Priester authentisch sein muss, darüber ist sich jedermann einig. Bei der Übergabe der liturgischen Gefäße (Hostienschale und Zelebrationskelch) bekommt der Neupriester vom Bischof gesagt: "Nimm hin die Gaben des Volkes für die Feier des Opfers. Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes" (Ritus der Priesterweihe). Wenn der Priester den Anspruch erheben will, im Namen des gekreuzigten Jesus zu predigen, muss er in seinem auf das Kreuz Christi verweisenden Lebensstil (1 Kor 1, 17-2, 5) beweisen, dass dieser wirklich in ihm lebt . Diese sterbende Existenz drückt sich aus in einer „Ganz-Enteignung des Menschen“ , die völlig eins wird mit der Institution des kirchlichen Dienstes. Dieses priesterliche Amt ist nicht etwas Starres und Kaltes, sondern Liebe Gottes zum Angreifen: „Die Person ist enteignet in die Institution, aber damit gewinnt die Institution die Färbung der Person“ .
Die Person des konkreten Priesters muss zurücktreten nach dem Vorbild Johannes des Täufers und in gewisser Weise unwichtig werden. Die mit dem Dienstamt betraute Person setzt die Liebe Gottes zu allen Menschen frei und wird als christusförmige „anima ecclesiastica“ zu einem Ort, wo jeder Kirche antrifft in herzlichem Angenommensein. So ist der sich selbstlos hingebende Priester zentral beteiligt am Aufbau der bräutlichen Kirche.
E. Verfügbarkeit unterschiedslos für alle
Der Priester, der exklusiv zu Christus gehört, ist fähig „zu einer großen Anzahl an brüderlichen und freundschaftlichen Beziehungen, [...] zur Universalität der menschlichen Beziehungen, zu einem eucharistischen für euch“ . Daraus ergibt sich, dass der Zölibat der sozialste Beruf ist, da er nicht um sich und den kleinen Zirkel seiner eigenen Familie kreist . Er macht offen für alle und frei vom Verlangen, für sich persönliche Freundschaften zu haben . Daraus ergibt sich für die Pastoral, dass gerade Bedrückte, Alleingelassene und Besorgte als Ratgeber den aufsuchen, der alleine zu leben weiß . Sozial ist der Zölibatäre besonders deshalb, weil er zum Zeichen für alle wird: seine ständige, unbeeinflusste und ungeteilte Verfügbarkeit zeigen die Barmherzigkeit Gottes .
F. Ganzhingabe des Priesters an seine Braut
Als alter Christus nimmt der Priester mit seinem ganzen Leben teil am einmaligen Opfer Jesu . Wie jeder Mensch ist er dazu berufen, für andere dazusein und zu einer Gabe zu werden . Diese endgültige Ganzhingabe entspricht dem Verlangen des menschlichen Herzens und nur sie wird den zum Priester berufenen Mann ein erfülltes Leben bereiten . Dem Zölibatären wird das Hin- und Hergerissensein des Verheirateten zwischen Gott und Liebespartner erspart und das Gebot der Gottesliebe kann ihm deshalb natürlicher gelingen: „Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ (Dt 6, 5). Mehr als der Ehemann hat der Zölibatäre die Voraussetzungen, ein aufrichtiges Geschenk für die anderen zu werden . Hierin liegt letztlich ein wichtiges Fundament der Autorität, die jedem Priester innerhalb der Kirche zukommt und „die eine kirchliche, fruchtbar zeugend-gebärende ist, deren Kraft aus dem Evangelium stammt, deren Frucht das Realwerden Christi in den Seelen ist“ .
1. Leiden und Sterben
Wer sich für dieses Lebensopfer entschieden hat und dennoch das Leiden ablehnt, muss sich wie Petrus in heftiger Weise in die Christusnachfolge zurückrufen lassen (Mk 8,33). Zum Priesterdasein gehört die Bereitschaft zum Leiden , denn seine Eunuchensituation ist in den Augen der Welt eine Schande . Die freudige Annahme dieser zölibatären „Schwäche“ soll im Priester keine Verbitterung bewirken, sondern tiefgehende Befriedigung seiner bräutlichen Liebessehnsucht gegenüber der Kirche : „Wir freuen uns, wenn wir schwach sind, ihr hingegen stark“ (1 Kor 13, 8). Der Priester repräsentiert den Bräutigam Christus am allerbesten, wenn er für seine Kirche leidet und stirbt:
Das Urphänomen, auf das sich das Streben des Christen hin auszurichten hat, ist nicht ein isolierter Christus in Glorie, noch weniger ein isolierter Jesus von Nazareth, der auf den Straßen von Galiläa wandert, einige Schritte voraus, während die Jünger „bestürzt und schweren Herzens folgten“ (Mk 10, 32; vgl. Lk 9, 51). Es ist vielmehr das vom Kreuz her („in seinem Blut“: Eph 1, 7) verwirklichte hochzeitliche Zueinander Christi und seiner Kirche, die sein „Leib“, seine „Fülle“ und seine „Braut“ ist .
Beim Empfang der Soutane wurde vielen Novizen der Legionäre Christi gesagt, dass die schwarze Farbe den Tod symbolisiert, den sie durch ihr Ordensleben ausdrücken sollen. Solch ein Tod hat den Sinn, dass Christus in diesen Menschen Gestalt annehmen kann. Christliches Sterben macht immer Platz für neues Leben, und so will der zölibatäre Priester sterben, damit seine Gemeinde leben kann . Wer als Bräutigam der Kirche übernatürliches Leben in seinen Kindern hervorbringen möchte, braucht die Bereitschaft zum Tod seines eigenen Willens und seiner persönlichen Vorlieben, sowie den Glauben an die Fruchtbarkeit eines Sterbens für alle . Das Kreuz ist das Ehebett, in welchem die bräutliche Umarmung stattfindet zwischen dem leidenden, sterbenden Bräutigam und seiner Braut. . Der gekreuzigte Bräutigam hat eine besondere Anziehungskraft für die Menschen, die seine Braut sein wollen : „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12, 32). In vielen Fällen kann man beobachten, wie die gekreuzigte Existenz eines zölibatär lebenden Priesters in sein Lebensopfer die mit hineinzieht, denen er dient. Wenn ein Priester diesen Lebensstil verwirklicht, kann er sicher sein, den Grad affektiver Reife und damit eine verantwortungsvolle Liebe erlangt zu haben .
2. Reale Hingabe im konkreten Menschen
So ein Lebensopfer für die Kirche kann Gefahr laufen, sehr abstrakt zu bleiben und nicht auf den konkreten Menschen angewendet zu werden. Es gibt Fälle von Priestern, die sich aufopfern in ihrem Seelsorgedienst, dabei aber unliebevoll mit Hausbewohnern, Mitbrüdern und Bediensteten umgehen. Der Zölibatäre muss sich einlassen können auf echte Freundschaften unter seinesgleichen und muss im Stande sein, seine Keuschheit auch dort zu leben, wo er aufrichtige Zuneigung zu anderen Menschen empfindet. Ob die Ganzhingabe des Priesters real ist, zeigt sich im täglichen Umgang mit den konkreten Menschen, mit denen er Kontakt hat .
3. Eucharistiefeier in lebendiger Ganzhingabe
Unspektakulärer und realistischer hätte der Moment nicht sein können, in dem Christus sich aktiv hingibt beim letzten Abendmahl, als er ein Stück Brot nimmt und sagt: “Das ist mein Leib, der für Euch hingegeben wird” (Lk 22, 19). Was dann folgte, ist nur die Verwirklichung dessen, was er im Vorhinein zugelassen hat. Der Akt der Hingabe findet beim Abendmahl statt . Und so realisiert sich auch die priesterliche Bräutigamsliebe zuallererst in der heiligen Messe, die gerufen ist, „ein sakramentales Zeichen und Nachbild“ der Liebe Christi zu sein. Die ars celebrandi des Messopfers verlangt vom Priester das „Erlernen des sich vorweg Gebens, der Annahme dessen, was geschieht, noch bevor es geschieht, als einen Akt der Selbstschenkung“ . Der priesterliche Alltag selber ist oft wenig erhebend, wie es auch das Kreuz nicht war. Auf diese Weise wird die Messfeier in der Tat zum Liebeshöhepunkt zölibatären Lebens, denn in ihr wird die Ehe zwischen Christus und seiner Kirche vollzogen . In persona Christi stellt der Priester in männlich-aktiver Weise die Kirche her, indem er sie dem Bräutigam zuführt. Die Antwort und Rolle der Kirche als Gattin Christi kann in folgenden Worten treffend beschrieben werden:
Und wenn nunmehr seine eucharistische Hingabe als das die Kirche als „Gattin“ und „Leib“ Herstellende bedacht wird, kann vorausgesetzt werden, dass die Vorgabe der Antwort, das Jawort Marias zur Menschwerdung, auch selbst vorweg „eucharistische“ Form und Dimension haben muß, was einfach heißt, daß es die Gnade erhalten hat, grundsätzlich dem göttlichen Willen keine Grenzen, bewußte oder unbewußte zu setzen, sondern sich - weiblich - a priori in alles Gewollte hinein verfügen zu lassen. Das freilich ist nach dem oben Gesagten, keine reine Passivität, sondern jene Bereitschaft jenseits von aktiv und passiv, die in Maria zwar prävalent weiblich betont ist, aber den männlichen Willen zu entsprechen nicht vermissen läßt .
„Die Eucharistie ist [...] das Sakrament des Bräutigams und der Braut“ , denn Bräutigam ist der Priester dann, wenn er sein Fleisch und sein Blut gibt . Wenn der Priester also wahrhaft in persona Christi die Messe zelebriert, ist es schwer einzusehen, wie er hier vermeiden könnte, Ehebruch zu begehen, wenn er gleichzeitig mit einer anderen Frau verheiratet wäre. Wir beschäftigen uns hier meiner Ansicht nach mit dem Kernproblem des Zölibates und der Identität des Priesters als Bräutigam der Kirche. Die Feier der Eucharistie verwandelt den Priester wirksam und verlangt, dass er sie nicht nur zelebriert, sondern dass er Eucharistie ist . Bei der Kommunionausteilung durch den Priester geschieht es, dass er sich in Form des Leibes Christi selbst austeilt als alter Christus, denn es drängt die Liebe danach, sich an andere mitzuteilen .
G. Dienst des Bräutigams an der Brau
1. Ernähren
Anhand der Kommunionausteilung wollen wir überleiten auf die Beschreibung des konkreten Dienstes, den der Priester an seiner Braut versieht. Zuallererst muss er die Kirche ernähren, indem er ihr Christus gibt, der „Speise für die ganze Welt ist“ . Das geschieht in sakramentaler Weise bei jeder Eucharistiefeier, die von Seiten des Priester gemäß der Gesinnung Jesu „Ausdruck des aktiven Hingabewillens“ sein muss: „[E]r hat sein Leben mit dem Herrn zusammen für die Seinen darzubieten, damit sie von diesem Leben zehren, wie in der Legende die Kücken von der Brust des Pelikans“ . Christus selbst ist es, der die Kirche ernährt (vgl. Eph 5, 28-30). Im Vaterunser lehrte er sie, um das tägliche Brot zu bitten und eine große Sehnsucht nach der Speise zu haben, die nur Gott schenken kann. Der Prophet Amos beschreibt die mit Christus gekommene Fülle der Zeiten so: „Seht, es kommen Tage [...] da schicke ich den Hunger ins Land, nicht den Hunger nach Brot, nicht Durst nach Wasser, sondern nach einem Wort des Herrn“ (Am 8, 11). Um diesen zweifachen existenziellen „Hunger“ nach der täglichen Eucharistie und nach dem Wort Gottes zu stillen, sucht Gott Ernährer für sein Volk . Gott kommt unserer Vaterunser-Bitte ums tägliche Brot nach, indem er uns Priester schickt : „Ohne Jesus keine Erlösung, doch ohne den Apostel gelangt sie nicht zu den Menschen“ .
2. Beschützen und Retten
Der Dienst des Priesters an seiner Braut besteht über das Ernähren hinaus im Beschützen und Retten (vgl. Eph 5, 23). Er muss bereit zum Kampf sein, denn Gott hat Adam befohlen, den Garten Eden zu behüten und vor den Angriffen der Schlange zu bewahren . Adam hat versagt und nicht gekämpft. Christus aber, der neue Adam, sieht nicht tatenlos zu, wie seine „Frau“ verführt wird.
Adams Priestertum war eine einfache Sache. Gott schuf ihn und berief ihn dazu, sein ganzes Leben als liebevolles Opfer hinzugeben. Aber er bestand den Test nicht. Bei der Versuchung durch die bedrohliche Schlange entschied er sich, Gott zu missachten und lieber sein Versteck zu hüten als sein Leben für die Rettung seiner Braut hinzugeben. Durch Ungehorsam, Stolz und Feigheit entsagte er seinen priesterlichen Pflichten. Er verwirkte das allumfassende Priestertum, das sein Privileg war .
Patriarchen wie Abraham haben als Priester ihrer Familien Krieg geführt (Gen 14, 14-16). Die Schlacht, die der Priester des 21. Jahrhunderts zu kämpfen hat, entscheidet über ewigen Tod und übernatürliches Leben seiner Braut, denn er hat die Macht bekommen, die unter Versuchungen leidenden Christen zu beschützen und zu stärken sowie die an der Todsünde zugrundegehenden Menschen zu heilen . Christus als König hat keinen Harem, doch er liebt seine Braut und läßt sie beschützen durch zölibatäre Männer, Eunuchen um des Himmelreiches Willen (Mt 19, 12).
4. Heiligung, Erbauuung und Erziehung
Damit die im Idealfall gesund ernährte und wohl behütete Braut Christi ihr Leben gottgemäß orientiert, kommt es dem Priester zu, für Ihre Heiligung und ihr geistliches Wachstum Sorge zu tragen, denn „heilig soll sie sein und makellos“ (Eph 5, 25b). Adam wurde die priesterliche Aufgabe zuteil, den Garten zu bebauen (hebräisch: abodah) und zu erhalten (hebräisch: shamar). Eben diese beiden hebräischen Verben werden hintereinander im Buch Numeri nur verwendet im Zusammenhang mit der Beschreibung des priesterlichen Levitendienstes an der heiligen Stätte :
Sie sollen [...] in der ganzen Gemeinde vor dem Offenbarungszelt für Ordnung sorgen, wenn sie an der Wohnstätte Dienst tun. Sie sollen alle Geräte des Offenbarungszeltes in Ordnung halten und bei den Israeliten für Ordnung sorgen, wenn sie an der Wohnstätte Dienst tun“ (Num 3, 7-8; vgl. Num 8,26; 18,5-6).
So wird dem Priester Macht übertragen zum Aufbau der Kirche, zum Beispiel für das Wiederherstellen der kirchlichen Ordnung mittels Strafen bei Ungehorsam . Diesen priesterlichen Dienst nur repressiv zu sehen wäre jedoch zu wenig. Es geht vielmehr darum, Räume und Freiheiten zu öffnen, damit sich die Personen in Gott verlieben können. Die Braut soll so angerührt werden, dass sie sich in freier Liebe vom Bräutigam erobern läßt, dass sie eintritt in die Bereitschaft für den, der sie liebt, und dass sie eine wahre „Erfahrung des Betroffenwordenseins“ erleben darf.
Es wäre verfehlt, wenn sich der kirchliche Diener damit begnügen würde, einen Kreis von persönlichen Verehrern zu haben. Als Brautführer besteht seine Rolle nämlich darin, durch seine Existenz und sein Tun auf den wahren Bräutigam, auf Christus, hinzuweisen. Sobald die Begegnung zwischen Braut und Bräutigam geglückt ist, weiß sich der Brautführer diskret zurückzuziehen, um nicht weiter zu stören.
Als Priester geht es nicht darum, geliebt zu werden, sondern zu lieben und die anderen zum Zentrum des eigenen Lebens zu machen . C.S. Lewis bemerkt hierzu, dass es das Privileg Gottes ist, immer mehr der Liebhaber als der Geliebte zu sein . Betrachten wir in dieser Hinsicht das priesterliche Dienstamt ruhig als etwas Göttliches.
Der Zölibat ist nicht nur etwas, was den kirchlichen Diener angeht, sondern er hat eine wichtige Rolle für die Erziehung des gesamten Volkes Gottes. Dem Verheirateten zeigt er, dass sein Partner ihm nicht total gehört, denn diesem steht in Bezug auf Gott eine Beziehungsfreiheit zu, die er nicht vereinnahmen darf. Der Dritte im Ehebund ist Gott und ihm gebührt auch dort die höchste Anbetung . Es ist wichtig für unsere Gesellschaft, dass ein Typ von Mensch existiert, der „eine Ganzheit darstellt, die eine Orientierung für alle Christen und für die ganze Welt gibt“ , der veranschaulicht, was allen Sinn und höchster Wert im Leben sein sollte: das im Kommen begriffene Reich Gottes, die zukünftige Kirche, eine hoffnungsverheißende Zukunft. Der Zölibat ist ein ständiger Hinweis darauf, dass es etwas gibt, was Familie, Sexualität und Generationennachfolge übersteigt , dass in der Ewigkeit alle zölibatär leben werden und dass sowohl Körper als auch Sexualität in der Vereinigung mit Gott ihre Erfüllung finden .
Schon allein der Anblick eines zölibatär lebenden Priesters strahlt Radikalität und Heiligkeit aus und kann kaum jemanden gleichgültig lassen. Die Kirche hat immer Bedarf an so einem „lebendige[n] Stück Anschauung für christliche Existenz“ . Neben der Katechese und der Predigt erzieht und auferbaut der Priester die Kirche allein schon durch seinen Lebensstil und lehrt sie, dass jede menschliche Liebe vorläufig ist, dass der wahre Bräutigam erst noch am Kommen ist und dass unser Herz leer bleibt, solange Gott nicht Besitz von ihm ergriffen hat .
III.
EROS DES PRIESTERS ALS BRÄUTIGAM DER KIRCHE
Nachdem wir uns mit der bräutlichen und der sich daraus ergebenden kenotischen Dimension des Priestertums auseinandergesetzt haben, bleibt uns noch das Problem der subjektiven Bewältigung dieser geistlichen Ehe mit der Kirche aus der Perspektive des Priesters.
A. Affektive Reife
Damit der zum Priestertum berufene Mann sein Zölibat in affektiver Reife leben kann, muss er – ebenso wie der Ehemann – die Bereitschaft zum Leiden aufweisen: ein Leiden motiviert aus verantwortungsvoller Liebe. Das heißt, dass er frei ist, zu lieben . Wenn der zölibatär lebende Mensch mit seiner Sehnsucht nach Liebe konfrontiert wird, kann er reifen und erfahren, dass keines der Geschöpfe in der Lage ist, sein unstillbares Verlangen zu sättigen .
Was die Erlangung affektiver Reife im 21. Jahrhundert zusätzlich erschwert, ist ein soziales und kulturelles Umfeld, welches in der Liebe auf künstliche Weise den vereinigenden vom zeugenden Aspekt getrennt hat und damit dem mit der Affektivität verbundenen Sinn der Engültigkeit verlustig geworden ist .
Wie soll nun aber der Priester reagieren, wenn er sich verliebt? Läuft er in so einer Lage nicht Gefahr, seine Liebe zu Gott zu verraten? Wir sind uns sicher, dass Gott da ist, wo wir einen Menschen aufrichtig lieben. Anstatt jene Zuneigung als Konkurrenz Gottes anzusehen, ist der Zölibatäre gerufen, sie zu einem Ort der Liebe zu Gott zu verwandeln. Konkret kann das so aussehen, für die geliebte Person in der Messe zu beten und in dieser Beziehung Gott als Dritten willkommen zu heißen. Verliebtsein kann man nicht unterdrücken, ohne zu verbittern, wohl aber ist es möglich, in dieser geistigen Zuneigung Gott die Ehre zu geben. Der Priester kann seine Liebe zu Gott nicht abschotten von der Liebe zu den Menschen. Wenn sich einer von der Liebe abwendet, wird er nie erfahren können, wie liebenswert Gott ist .
Um auf seinem Weg zu immer größerer affektiver Reife voranzukommen, bedarf der Priester unbedingt eines geistlichen Begleiters, mit dem er seine Verletzungen im Bereich der Zuneigungen bespricht und so sein Gedächtnis reinigt. Der Ruf zum zölibatären Leben löst die schlechten Tendenzen der Affektivität und des Sexualimpulses nicht auf und erfordert deshalb eine ständige Wachsamkeit über Körper und Geist, sowie Klugheit, Verzicht und einen angemessenen Umgang mit dem anderen Geschlecht . Das Sakrament der Versöhnung spielt dabei eine entscheidende Rolle, indem es die Begrenztheit der Konkupiszenz heilt und progressiv immer mehr die Tugend der Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen auszubilden hilft .
B. Integration der Sexualität in den zölibatären Lebensstil
Solange der zum Priestertum beauftragte Mann in enger Beziehung mit Gott im Stand der Gnade lebt, wird er empfänglich bleiben, das Geschenk des Zölibats verwirklichen zu können. Nun schließt diese Berufung den ganzen Menschen ein und so auch die Dimension seiner Sexualität . Gerade seine Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen verleiht dem Priester seine tiefgreifende Ähnlichkeit mit Jesus, dessen Jungfräulichkeit der charismatische Hinweis darauf ist, wie in der himmlischen Herrlichkeit die Sexualität als vollkommene Vereinigung von Personen in der Gemeinschaft der Heiligen praktiziert werden wird . Wer lebendiges Anschauungsmodell der Seinsweise Gottes - der auf Braut und Hochzeit wartende Bräutigam - sein darf, erhält Anteil an der Wirklichkeit, die er darstellt , und somit Teilnahme an der göttlichen Ausübung der Sexualität. Dies darf aber nicht missverstanden werden im Sinne eines menschenunwürdigen Automatismus. Jesus spricht von einem echten actus humanus: „Wer es fassen kann, der erfasse es“ (Mt 19, 12b). Das Leben der Sexualität gemäß dem Lebensstil Jesu kann nicht gedankenlos praktiziert werden als etwas, was der menschlichen Natur zuwider wäre. Es erfordert das Einbeziehen des „Verstehens“, denn diese Berufung ist in besonderer Weise dem Menschen als Abbild Gottes angemessen .
C. Sexualität als Energie für Beziehungen
Wofür hat Gott dem zum Priester berufenen Mann seinen Sexualimpuls geschenkt, wenn er ihn nicht ausüben kann? Im ersten Brief an die Korinther (Kap. 7) legt Paulus die revolutionäre christliche Sichtweise bezüglich der Sexualität dar, indem er die exklusive Orientierung der Liebesfähigkeit an der Sexualität aufhebt . Richtig praktizierte Sexualität ist nicht nur für einen selber gedacht, sondern genauso für den Umgang mit Gott und mit allen Menschen . Viel mehr als um genitale Aktivität geht es um eine Energie für Beziehungen, die uns als Freunde in das Leben anderer Personen eintreten läßt und diese wiederum in unserem Leben willkommen heißt, in einem Klima von Verständnis, Feinfühligkeit, zwischenmesnschlicher Wärme, Mitleid und gegenseitiger Stütze. Das hervorragendste Vorbild für diesen Lebensstil ist wohl die Jungfrau Maria von Nazareth, die ihre Sexualität in tiefer und starker Liebe zu Gott lebte und in ihrem Wesen alles andere war als kalt und gefühlslos . Der Priester soll sein Mannsein ausüben in Gemeinschaftsliebe und wahrer Hingabe an konkrete Personen , in Brüderlichkeit mit anderen Priestern sowie in Freundschaften und gelegentlichem Beisammensein mit Familien . So pflegte der zölibatär lebende Paulus eine Vielzahl von Freundschaften, was die vielen persönlichen Grußworte im Römerbrief zeigen (16, 1-24).
D. Übersinnlicher Eros
Wenn es um die innige Beziehung zwischen dem zölibatär lebenden Menschen und der Kirche geht, können wir mit Hans Urs von Balthasar von einer Dimension sprechen, „die dem leiblich-sinnlichen Eros überlegen ist“ . Indem der Eros ganz auf Christus hingeordnet und der Körper in einen Tempel des Heiligen Geistes verwandelt wird, geht es in so einer Liebesbeziehung nicht mehr darum, e i n Fleich zu werden, sondern e i n Pneuma : das Liebesband, das Priester und Kirche verbindet, ist der Heilige Geist . Dank des Zölibates wird der ganze Mensch vervollkommnet und auf eine ganz andere Ebene erhoben . Der bewusst in Jungfräulichkeit lebende Mensch kann einem anderen Menschen sehr wohl in intimer Weise begegnen, doch der „Ort“ hierfür ist nicht der Leib, sondern Gott, und die Liebesbekundung geschieht nicht durch Berührung, sondern durch mitgeteilte Bewunderung . Hier kann man durchaus eine „Erotisierung von Religion“ sehen, die von Paulus im ersten Korintherbrief (Kapitel 7) niedergeschrieben wurde. Wer den Eros und damit seine Begierden gekreuzigt hat, der verspürt kein echtes Verlangen mehr nach irdischen Gütern, sondern sehnt sich nach einer Liebe im Geiste (vgl. Gal 5, 24-25).
Der vereinigende Charakter dieser Liebe findet seinen Ausdruck einerseits im Versprechen des Kandidaten vor der Priesterweihe, dass er das Credo seiner Braut als das seine betrachten und treu befolgen wird, andererseits in der Abneigung, mit der die Kirche sozusagen als eifersüchtige Braut einem Priester eine Dispens vom Zölibat ausstellt . Jedes Glied der Kirche will nämlich vom Priester in der gleichen, exklusiven Weise geliebt werden, wie Christus es tut .
E. Reinigung eines ungeordneten Eros in eine geordnete Agapé
Nun wollen wir einige konkrete Ideen behandeln, um zu verstehen, wie der Eros dem Zölibat entsprechend verwandelt werden kann in Agapé. Wenn der Priester körperlich oder seelisch leidet und das für die Kirche aufopfert, dann wird seine Liebe „leibhaftig“ . Im Sinne des Schöpfers soll der Eros ja nicht einen Beigeschmack von Sinnlichkeit und Egoismus haben, sondern die Faszination des anderen Geschlechtes aufzeigen als Freudengeschenk an jene, die die Liebe gemäß der Schöpfungsordnung leben. Eros müssen wir im Kontext des Zölibates verstehen als Antrieb, Sehnsucht, Anziehung und Empfinden von Gefühlen gegenüber Gott und den Nächsten .
Bei vielen Gläubigen und Zölibatären findet man leicht eine Agapé ohne Eros, Nächstenliebe ohne Leidenschaft und ohne Herzenswärme. Das ist eine Liebe, die nicht vom Kopf ins Herz hinuntergestiegen ist . Beim in Gott verliebten Zölibatären verwandelt sich der Ethos zur konstitutiven Form des Eros : all sein Tun wird zum Liebesakt, der sich in den kreativsten Liebessprachen auszudrücken vermag . Der Gottgeweihte kann Gott näher sein als jeder Bräutigam seiner Braut, denn Christus ist auferstanden und lebt im Heute. Wenn er ein Kruzifix oder ein Bild von Jesus küsst, dann endet diese Liebesbekundung nicht auf dem Papier oder dem Holz, sondern in geistlicher Form berühre ich damit Gott .
Natürlich wird das andere Geschlecht weiterhin seine Faszination ausüben, doch was ein Mann in einer Frau sucht und umgekehrt, das findet man in viel größerer Vollkommenheit in Gott. Die Umwandlung eines egoistisch gelebten Eros geschieht also durch einen Eros, der leidenschaftliche Liebe für Gott geworden ist . So ein Eros macht die Agapé lebendig und drückt sich im Fall des zölibatären Priesters als bräutliche und väterliche Liebe, als zölibatäre Agapé für die Kirche als Ganzes und für den einzelnen konkreten Menschen aus . Kein sexueller Akt ist Selbstzweck, sondern weist hin auf „ein noch größeres, noch tieferes Mysterium, [welches] dazu bestimmt [ist], [...] zu etwas zu führen, das ewig währt“ . So lebt der zölibatär lebende Mensch den christlichen Eheleuten vor, „den sexuellen Eros in die vom Himmel geschenkte Agape hinein aufgehen zu lassen“ .
Die Geschichte des Zölibates kann eine Erweiterung der Horizonte des Eros aufweisen, eine geradezu göttliche Freisetzung leidenschaftlicher Nächstenliebe, deren Krönung wohl im Kuss eines Leprakranken durch den heiligen Franziskus und der Umarmung des krepierenden Straßenelends durch Mutter Teresa von Kalkutta zu sehen ist . Am Ende der Umwandlung des Eros steht die absolute Verletzlichkeit der wahren Agapé, die die Worte Jesu verkörpert: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“ (Lk 22, 19b).
F. Jungfräulichkeit und ihre Körpersprache
Leicht ist einzusehen, dass Liebe zwischen Mann und Frau ihre Körpersprache hat. Wie diese jedoch bei einem zölibatären Lebensstil aussieht, ist nicht auf Anhieb zu verstehen. Würde ein zölibatärer und damit ganz Gott und der Kirche gehörender Mann intime Beziehungen zu einer Frau haben, brächte er damit zum Ausdruck, dass das, was er mit seinem Körper tut, keine tiefere Bedeutung habe. Nun signalisiert jedoch der authentisch praktizierte Zölibat im Verzicht auf die bräutliche Umarmung, dass das, was der Mensch mit dem Körper tut, eine große Relevanz hat in der Beziehung zwischen Personen. Aus dem bewussten Verzicht kann der Zölibatäre einen lebenslangen bräutlichen Liebesakt werden lassen. Der Körper hat immer bräutliche Bedeutung und deshalb ist auch die Jungfräulichkeit gerufen, sich in einer ihr spezifischen Körpersprache auszudrücken : „Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen“ (Hebr 10, 5).
G. Gott-erfüllte Einsamkeit des Priesters durch intimes Gebet
Dem Beispiel Christi folgend heiligt (Joh 17, 19) sich der Priester für seine Jünger, indem er sich in vielerlei Hinsicht „aus dem Verkehr zieh[t]“ , um nur noch Gott zu gehören. Menschlich gesehen erfährt so ein Mensch die Einsamkeit. Aber sie kann auch bei Eheleuten vorkommen, die anstatt miteinander, nebeneinander isoliert vom anderen dahinleben. Einsamkeit läßt sich demnach nicht überwinden durch ausgeübte Sexualität . Wer den Zölibat leben will, muss lernen, gerne alleine zu sein, denn ein Aspekt des Sich-mit-Jesus-Kreuzigenlassens ist die Einsamkeit des Kreuzes, ein Los, das er mit der Kirche als In-die-Welt-Ausgesetzte teilt . Kann er das nicht, wird er als Lösung für sein Problem die Gesellschaft anderer suchen. Er wird Personen benützen, um die Leere in ihm auszufüllen. So ein Mensch ist außer Stande, sich über den Erfolg des Nächsten zu freuen. Er wird den anderen einengen und unfrei machen .
Die Einsamkeit des Priesters darf jedoch nicht leer sein, sondern muss voll von Gott sein . Schon ab dem Priesterseminar muss der angehende Priester lernen, seiner Beziehung mit Gott den ersten Platz im Tagesgeschäft einzuräumen und regelmäßig unantastbare sogenannte „Wüstenzeiten“ als Ort der Hochzeit einzurichten, um stets „an der Quelle zu bleiben“ . Es gilt, in das Gebet des Stundenbuches hineinzuwachsen, die Liturgie der Kirche zu verstehen und treu zu befolgen - jede Geste und jedes Wort - und schließlich Sehnsucht nach der Anbetung des in der Eucharistie gegenwärtigen Jesus zu haben, wo sich der Priester bewusst seinem Gott übereignet . Fixer Bestandteil seiner Liebesbeziehung mit Gott muss außerdem die ständige Weiterbildung sein, damit der Verstand nicht vertrocknet und um sich immer wieder neu die übernatürliche Motivation für diese Lebensweise in der Wahrheitssuche anzueignen. Es geht darum, das zu studieren, was ich liebe, und den Geliebten zu betrachten .
Mehr als die sexuelle Leidenschaft suchen die meisten Menschen Intimität, vertraute Zweisamkeit mit einer anderen Person. Der Priester muss sich darüber im Klaren sein, dass diese Sehnsucht seines Herzens hier auf Erden nur begrenzt zufriedengestellt werden kann und dass Gott sie am tiefsten auszufüllen vermag. Er muss wissen, dass jeder Mensch, nicht nur der Zölibatäre, eine Art von Einsamkeit erlebt und diese annehmen muss. Gerade der Zölibatäre sieht sich oft konfrontiert mit einer ungewöhnlich tiefen Vertrautheit in der Beziehung mit Menschen, weil er mit ihnen die intimsten Fragen bespricht und dabei aufgrund seiner Lebenssituation keine egoistischen Hintergedanken hat . Wenn der Priester eine wahre Erfahrung der Einsamkeit gemacht hat, wird er umso offener sein können für eine noch erfülltere zwischenmenschliche Personengemeinschaft .
H. Notwendigkeit der Ergänzung des Priesters durch die Frau Maria
Der Priester braucht das Sakrament der Ehe nicht, da er Gott schon hat , und dennoch benötigt er als Mann, ebenso wie vor dem Fall der mit Gott noch in inniger Verbindung lebende Adam, die Frau, um zu seiner Fülle zu gelangen , denn in der Beziehung mit ihr bekommt er die Hilfe, die ihn ergänzt und ihm entspricht (vgl. Gen 2, 20), die Hilfe, die ihm ermöglicht, die Ortskirche zu leiten. Die Jungfrau Maria war bei vielen heiligen Männern in entscheidender Weise die, die ihr ganzes Leben inspiriert hat , wie es zum Beispiel bei Maximilian Kolbe der Fall ist. Die richtige Rolle jeder Frau im Leben des Priesters ist die einer Schwester in Christus . Wenn der Priester sich dessen bewusst ist, kann er mit jeder Frau in angemessener Weise umgehen.
Am Kreuz hängend vertraut Jesus Christus dem Priester Johannes seine Mutter Maria an (Joh 19, 27). In diesem schwierigen Augenblick bekommt Johannes die spezifisch männliche Verantwortung, der Beschützer Marias zu sein, seine eigenen Schmerzen zurückzusetzen und sich dieser Frau voll von zölibatärer Agapé anzupassen. Die Weiblichkeit Marias holt aus dem männlichen Herz des Johannes das Beste heraus. Er nimmt sie auf in ‘eis tà ìdia, d.h. „in sein Eigentum“ oder „in die Tiefen seines Seins“, und sicher ist es nicht falsch, wenn wir sagen: Er nahm Maria in sein Priesterdasein auf . Indem der Priester damit beschäftigt ist, die Mutter der Schmerzen zu trösten, praktiziert er seine väterliche und bräutliche Liebe. Dabei darf er die Freude erfahren, die jede echte Selbsthingabe schenkt . Der Priester, der eine vertraute geistliche Beziehung zu Maria pflegt, wird fähig sein zu einer bräutlichen-ekklesialen Spiritualität, denn Maria ist das Urbild der Kirche . Wie der heilige Joseph ist der Priester gerufen, sich in seinem Gebetsleben von Maria emotional und geistlich einführen zu lassen in die besondere Art seiner „Josephs-Ehe“ mit der Kirche, und er muss lernen, keine Angst davor zu haben, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen (vgl. Mt 1, 20). Unter dem Kreuz hat der Priester in Maria „seine Frau“, die Kirche, bekommen, und unter dem Kreuz wurde das Priestertum Maria anvertraut. In Joseph können wir das Modell des Priesters sehen, dem die Braut angetraut wird und der die Hilfe seiner Braut benötigt, um in Keuschheit einen gereinigten Eros leben zu können .
I. Priesterliche Fruchtbarkeit
Nachdem wir uns mit dem vereinigenden Aspekt der „Ehe“ zwischen Priester und Kirche befasst haben, wollen wir nun die zeugende Dimension näher beleuchten. Es hat nämlich immer zerstörerische Auswirkungen auf die Personen und die Gesellschaft als Ganzes, wenn Sexualität und Fruchtbarkeit voneinander getrennt werden . Papst Franziskus brachte es auf den Punkt: „Das ist nicht katholisch, wenn ein Priester nicht fruchtbar ist“ . Die Tradition der Väter hat in der Kirche immer die jungfräuliche Mutter gesehen und Gott als Vater . Der Vater steht vor der Kirche in der Person des Priesters (Joh 14, 9; Kol 1, 15; KKK 1549; 1 Kor 4, 15), durch dessen Dasein und Apostolat die Liebe geistlich fruchtbar wird . So, wie die Vereinigung dieser Brautleute im heiligen Geist geschieht, so auch deren Zeugung, die „vollkommen geistig und ihrem Wesen nach göttlich“ ist. Es gibt einen schwerwiegenden Grund dafür, dass der Priester enthaltsam lebt : nämlich damit er geistlicher Vater und „Quell geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt“ sein kann, damit er frei ist, die universale Familie der Kirche zu gründen . Vater zu sein bedeutet, Leben an andere weiterzugeben . Eben das tut der Priester bei jeder Taufe und jeder Glaubensunterweisung , doch gibt er kein natürliches Leben weiter, sondern ein neues, geistliches, heiliges und unsterbliches : „Ihr seid neu geboren worden, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen: aus Gottes Wort, das lebt und das bleibt“ (1 Petr 1, 23).
Diese ihm geschenkte Fruchtbarkeit verwirklicht sich im Priester durch Selbstverleugnung und Kreuzesgehorsam , durch Gebet und Predigt:
„Ein Lehrer beeinflusst die Ewigkeit; er kann niemals sagen, wo sein Einfluss endet.“ Ein Priester lehrt so, wie ein Vater seine Kinder lehrt. Er lehrt sie zu lehren. Was ein Priester von der Kanzel aus sagt, das sagt seine Gemeinde der Welt; und dann wird die Welt ein besserer Ort .
In dieser Arbeit haben wir häufig die natürliche Ehe zum Bezugspunkt genommen, um das Verhältnis zwischen Priester und Kirche anschaulich werden zu lassen. Aus der Perspektive Gottes jedoch ist die Dreifaltigkeit der princeps analogatum für bräutliche Vereinigung und Zeugung, und aus diesem Grund ist Fruchtbarkeit in erster Linie nicht die fleischliche, sondern die übernatürliche. Am meisten fruchtbar kann der sein, der wie Christus lebt. Wie bei Abraham wird seine Nachkommenschaft zahlenmäßig unabsehbar sein . Jeder Mann möchte Kinder haben, und so auch der Priester. Gott erfüllt diese Sehnsucht nach Vaterschaft in übernatürlicher Weise. Diese ist erfüllender als die natürliche Variante, weil sie Gott - der allein Vater im wahrsten Sinne des Wortes ist - ähnlicher ist .
Hildegard von Bingen spricht sogar von einer „Grünkraft der Enthaltsamkeit“
Fassen wir die den zölibatären Priestern eigene Fruchtbarkeit abschließend mit Worten H.U. von Balthasars zusammen:
Wenn Paulus sagt: Ich wollte, es wären alle wie ich, ehelos, so meint er nicht eine aus zwei Eventualitäten, sondern zieht eindeutig die eine der beiden vor. Es ist die Existenz, die als ganze ins Feuer Christi geworfen ist, die brennende Exisenz, das glühende Eisen. Die viri probati sind das kalte Eisen, sie mögen persönlich so eifrig sein, wie sie wollen. Der unverheiratete Hirte ist das heiße Eisen, das damit auch einzig im Stande sein wird, das eigene Glühen andern mitzuteilen .
ABSCHLUSS UND PERSÖNLICHES URTEIL
Als einer, der kurz vor seiner Priesterweihe steht, wollte ich begreifen, wie ich das leben kann: Bräutigam der Kirche sein. Im Laufe meiner Beschäftigung mit diesem Thema wurde mir klar, dass der Priester durch seine Liebe zur Kirche zu Gott gelangt, ebenso, wie der Ehemann durch die Liebe zu seiner Frau Gott seine Liebe ausdrückt. Für mich löste sich der Widerspruch zwischen Liebe zu Gott und Liebe zur Kirche: meine Liebe zu Christus muss den Weg über die Liebe zur Kirche gehen.
Was den Zölibat angeht hat sich mir sein Sinn in tiefer Weise erschlossen, so dass ich mir nun sicher bin: Durch das Geschenk dieser Lebensweise wird aus dem Priester erst ein ganzer Bräutigam der Kirche. Wer in der Kirche zölibatärer Priester wird, für den ist das Einsehen der bräutliche Dimension seiner Existenz fundamental, um sich selbst verstehen zu können und der Kirche zum Segen zu werden.
Als Jugendlicher erfuhr ich, wie ein mir gut bekannter Priester öffentlich bekannte, nichts dagegen zu haben, wenn er heiraten dürfte. Ohne Argumente zu haben, fühlte ich mich sehr unwohl dabei und ich war enttäuscht über einen, der ohne Überzeugung zölibatär lebte. Nun begreife ich warum. Als ein in der Kirche verwurzelter Mensch sehne ich mich danach, im Priester eine exklusive Liebe für mich als Teil seiner Herde zu erfahren - in authentischer Nachahmung Jesu Christi.
Bei der Lektüre von Hans Urs von Balthasar beeindruckte mich die Darstellung eines Priesterdienstes als institutionalisierte Form der Liebe Gottes, erfahrbar für alle Menschen, wenn sie denn authentisch zölibatär praktiziert wird. Was bei von Balthasar im Ansatz schon zwischen den Zeilen steht, fand ich bei anderen Autoren in expliziterer Weise in Worte gefasst, vor allem bei Klaus Berger, Scott Hahn und Johannes Paul II. Bei letzteren wurde ich eingeführt in konkrete Ideen, wie ein zölibatärer Bräutigam seine Braut glücklich machen kann. In den Schriften Cencinis, Cihaks, Cantalamessas, Piacenzas, Radcliffs und anderen fand ich eine tiefe priesterliche Spiritualität, die sehr hilfreich ist beim schrittweisen Erlernen von zölibatärer Liebespraxis. Mein Eindruck war, dass unter dem Einfluss der Theologie des Leibes von Johannes Paul II. ein verstärktes Nachdenken begann über den Sinn des Zölibates. Bei Hans Urs von Balthasar fehlte mir diese Frische der Gedanken. Seine Überlegungen blieben mir zu akademisch und sprachen mein „Herz“ nicht an.
Beglückt und zufrieden blicke ich zurück auf diese theologischen Studien, mit denen ich Antworten auf eine existenzielle Frage finden durfte. Mein Gebetsleben hat eine klarere priesterliche Ausrichtung bekommen und ebenso die tägliche Mitfeier der heiligen Messe.
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