8. Dezember 2023 - Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria

 

"Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?«

Alle Dramatik des Menschseins wird uns in der ersten Lesung vor Augen gestellt. Sünde als Abkehr von Gott heißt Gottferne. Wer sich von dem liebenden Gott wegwendet, der verliert ihn aus dem Auge. 

Und menschlich betrachtet erscheint es, als ob Gott sich zurückzieht, nicht mehr zu erkennen gibt. Gott erscheint dunkel und bedrohlich. An Adam und Eva, an der Ursünde des Menschen wird uns dies von der Bibel erklärt. Und zugleich hat diese so dunkle Stelle der Ur- und Grundgeschichte des Menschen etwas Verheißungsvolles, das erst im Licht des Neuen Bundes, im Blick auf die selige Jungfrau Maria verstanden werden kann. 

»Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.«, sagt Gott zur Schlange. 

Und im Blick hat er hier schon die neue Eva, Maria, die den todbringenden Unheilszusammenhang dieser Welt aufbrechen wird durch ihr offenes Ja zum göttlichen Plan. 

Das Dunkel des Sündenfalls wird erhellt durch das strahlend weisse Licht der Verkündigungsszene, die uns Lukas im Evangelium wiedergibt. Und wie das weiße Licht alle Farben in sich enthält, so fasst der Gruß des Engels »Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.« alle geschaffene Schönheit zusammen. Wozu ist diese junge Frau aus Nazareth imstande, die - wie das II. Vatikanische Konzil sagte - den Heilswillen Gottes mit ganzem Herzen und von Sünde ungehindert umfängt? Wozu hat Gott dieses Mädchen auserwählt? Was bedeutet »begnadet« in seinem Vollsinne? 

Maria überlegte, »was dieser Gruß zu bedeuten habe«. Gnade, das heißt ein Geschenk, das mir unverdient und unerwartet zuteil wird; nicht zufällig, wie in der Lotterie, sondern aus Güte, aus Zuneigung, ohne Erwartung einer Gegenleistung. 

Blickt man in die romanischen Sprachen, so hat Gnade eine weitere, sehr sympathische Bedeutung: Grazie, Anmut, Schönheit, Charme. 

So ist Gnade also Gabe und Geschenk, sie schafft Anmut und Schönheit – und wir merken, wie schwerfällig unsere Begriffe sind, wenn wir an die allerseligste Jungfrau Maria denken. Paulus nennt die herrliche Gnade beim Namen: „Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn“ – Im Hinblick auf diese Gnade aller Gnaden, auf die Menschwerdung Gottes zur Erlösung des Menschen, zur Befreiung aus den Verstrickungen in Sünde und Tod – im Hinblick auf diese herrliche Gnade hat Gott alles getan, um den Weg zu bereiten. An Maria sehen wir den Weg des Heiles, den Gott gewählt hat. 

Was der Ungehorsam, die Ursünde der ersten Menschen zerstört haben, wird in der seligen Jungfrau Maria wiederhergestellt. 

Der Blick auf die Ursünde der ersten Menschen kann aber nicht allein da stehen. Zugleich ist es ein Blick auf unser eigenes Leben. Wie oft ist uns ein »Nein« gegenüber Gottes Willen über die Lippen gekommen? Wie oft war es uns nicht möglich, offen und freimütig Ja zu seinem Weg und seinem Willen zu sagen. 

Der Hl. Ludwig Maria Grignon v. Montfort fasst dies im Weihegebet in drastische Worte: 

»Doch, wie undankbar und treulos bin ich gewesen! Was ich so heilig dir versprochen und gelobt bei meiner Taufe, habe ich nicht gehalten; was meine Pflicht war, habe ich nicht erfüllt. Ich bin nicht länger wert, dein Kind zu heißen, ja nicht einmal dein Knecht. Nichts ist an mir, was deinen Abscheu nicht verdient und deinen Zorn. Darum wage ich nicht länger, mich deiner heiligsten und erhabenen Majestät allein zu nahen.«

Im Vertrauen auf die allerseligste Jungfrau Maria, auf ihre Fürbitte, dürfen wir jedoch diesen Schritt neu gehen. Mit einem klaren Bekenntnis zur Hinfälligkeit unseres menschlichen Lebens, zugleich mit der unzerstörbaren Hoffnung im Herzen, dass Gott diese Welt zu einem neuen Ziel führt. 

In diesen Tagen des Advents bereiten wir uns besonders auf das Kommen des Herrn Jesus Christus vor. Durch die Erinnerung an sein erstes Kommen, seine Geburt aus der Jungfrau Maria, aber vor allem auch durch den Blick auf unsere Zukunft, auf die Wiederkunft des Herrn am Ende der Tage. 

Ludwig Maria Grignon betet: »O Mutter der Barmherzigkeit, verleihe mir die Gnade, von Gott die wahre Weisheit zu erlangen.« 

Dieser Bitte schließen wir uns an. Im Staunen über Gottes Allmacht und Liebe, die in der Jungfrau Maria einen neuen Anfang mit der Menschheit gemacht hat. Im Bekenntnis zu unserer Schwäche, und in der Hoffnung, dass wir an der Hand Mariens den Weg des Herrn neu beschreiten können. 

Amen. 

 

 

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