22. Sonntag im Jahreskreis - 29. August 2021

Liebe Schwestern und Brüder!

Nach der Zerstörung des Tempels im Jahre 70 nach Chr. war Rabbi Jochanan ben Zakkai einer der maßgeblichen Gründergestalten des rabbinischen Judentums. Von ihm ist erzählt, dass er seine Schüler fragte, welches die kostbarste Eigenschaft des Menschen sei. Einer meinte: „Ein gutes Auge haben“, ein andere „einen guten Freund haben“, ein dritter: „einen guten Nachbarn haben“, ein vierter: „Die Zukunft enträtseln können“. Der Jüngste sagte: „Ein gutes Herz haben“ - Und Rabbi Jochanan antwortete: „Diese Antwort gefüllt mir, denn in ihr sind alle anderen enthalten.“

Auch im heutigen Evangelium zielt der Streit Jesu mit den Pharisäern und Schriftgelehrten von den ungewaschenen Händen der Jünger hin zur Frage der wahren Reinheit. Von außen nach innen. Und Kampfplatz für diese Frage ist das menschliche Herz. 

Für unsere Ohren ist es schon fast ungewohnt, vor allem „unmodern“, von einem „reinen Herzen“ zu reden. Wir werden verlegen, wenn wir diese Worte aussprechen, vor allem, weil wir sie oft auf eine einzige Ebene reduzieren, auf die sexuelle Enthaltsamkeit. 

Gerade die Auseinandersetzung Jesu über „rein und unrein“, die Breite dieser Aussage, sollte uns stutzig machen. Denn die wahre Herzensreinheit beginnt nicht erst bei der Enthaltsamkeit im Sinne des 6. Gebotes. 

Es geht davor um viel mehr, das uns vielleicht oft nicht bewusst ist. Reinheit des Herzens wirkt sich im ganzen Menschen aus, indem sie seine emotionalen und geistigen Kräfte durchdringt und motiviert und ihn bis in die leibliche Sphäre prägt. „Herzensreinheit“ ist nichts weniger als ein anspruchsvolles Programm des geistlichen Lebens. Die Sehnsucht nach einem reinen Herzen ist bei vielen Menschen aber oft verschüttet. Wir müssen sie täglich neu freilegen. Neu die Sensiblität erlangen, zu fühlen, wo diese innere Reinheit in Gefahr ist. Denn unser Glaube - und genau dies deutet Jesus heute an - lässt keine Zwiespältigkeit zu. „Sonntagschristentum“ mit Erfüllung der Sonntagspflicht ohne klare Konsequenzen für die ganze Woche, ein Metternichsches Christentum also, der gesagt hat, „Am Sonntag bin ich Christ, während der Woche Politiker“, ist dem Unglauben näher als dem wahren Glauben. 

Natürlich können wir einwenden: Unsere Welt fordert doch ein wenig Hintertriebenheit, Umgehen von Geboten, heraus. Ein Direktor eines großen Schulbetriebes in Wien sagte einmal zu mir: „Ich konnte NUR dadurch mein Amt richtig ausüben, dass ich an der richten Stelle und zur richten Zeit die Gesetze ein wenig gebogen habe…!“ - Für mich steht über dieser Aussage ein grosses Fragezeichen. 

Als ich ein längeres Gespräch mit einem Arzt, einem Internisten hatte, und mich zu meinem Glauben und meiner Berufung bekannte, sagte mir dieser: „Ich könnte nicht Arzt sein, wenn ich nicht ein gläubiger Mensch wäre!“ - Die Lauterkeit des Herzens hat mich in dieser Aussage besonders angesprochen. 

Es stimmt wohl, dass man mit Reinheit, Lauterkeit und Wahrheit nicht immer auf der Siegerstrasse fährt - aber sicher auf dem Weg, den Christus für uns vorgezeichnet hat. 

Amen. 

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