Ostersonntag

Betrachten  wir  das heutige Evangelium einmal  genauer:  da  ist nicht  die  Rede  von  einem fröhlichen Osterspaziergang  in  der erwachenden Natur.

Im Gegenteil: Wie wir auf den Friedhof  gehen, zum  Grab geliebter Menschen, so geht Maria von Magdala zum  Grab ihres geliebten Herrn. Ein Gang zum Friedhof ist doch etwas  ganz anderes  als  ein Osterspaziergang. Für Maria ist  nicht  Ostern, sondern  Karfreitag.  Am  Kreuz  hat  sie  alle  ihre  Hoffnungen dahinschwinden sehen.  Und dann wurden diese Hoffnung  mit  Jesus zusammen   begraben.  Übriggeblieben  sind  ein   paar   dankbare Erinnerungen.  Sonst  nichts. So will  sie  wenigstens  das  Grab pflegen  als äußeres Zeichen ihrer Liebe, will noch tun, was  uns Menschen angesichts des Todes übrig bleibt: ein ehrendes Andenken wach  halten.  Das  ist alles. Denn gegen den Tod  gibt  es  kein Mittel,  gegen  ihn  ist kein Kraut gewachsen.  Auch  heute  noch nicht.  Trotz  allen  technischen und medizinischen  Fortschritts stehen wir dem Tod hilflos und ohnmächtig gegenüber. Gerade in der Pandemie wird uns das schmerzlich bewußt. 

 Aber  gerade dort - so erfährt es Maria, so erleben es die Jünger - gerade dort, wo wir am Ende sind, wo wir nichts mehr ausrichten können, da greift Gott ein; denn er ist ein Liebhaber des Lebens. Dort,  wo  menschliche  Beziehungen abbrechen,  setzt  sich  Gott selber  ein. Wo Bindungen aufhören, wo wir nicht mehr füreinander dasein  können, wo wir nicht mehr miteinander gehen können,  dort geht  Gott mit, bleibt er uns nah, steht er zu uns. Dort  beginnt Gott  etwas ganz Neues. Dort hält er uns AN seiner Hand, mehr noch, er birgt uns IN seiner Hand. Wo immer  aber Gottes Hand am Werk ist, da wird alles neu. Da wird aus dem  Ende ein  Anfang;  aus dem Tod ersteht das Leben. Und  das  Grab,  der Nullpunkt  unserer   menschlichen   Existenz,   bleibt    nicht zugeschüttet  und  mit  Kränzen und langsam verwelkenden Blumen  verziert.  Es  wird   gesprengt, geöffnet.  Das  ist  die  Botschaft  von Ostern, die  frohe  Kunde  von  der Auferstehung  Jesu: Gott hat sich in Jesus unser erbarmt, hat uns befreit  aus den Fesseln des Todes. 

Gott hat unseren  Bruder und Herrn  auferweckt.

Und mit ihm sind auch wir in Gottes bleibendes Leben gerufen, berufen zu einem neuen, zu einem ewigen Leben! Wer  nur ein wenig erahnt, was das heißt, der wird verstehen, daß schon  die  ersten  Jünger darüber nicht in  eine  vorübergehende Hochstimmung  ausgebrochen sind. Der wird  begreifen,  da  nicht etwa  eitel Freude den Ostermorgen durchdringt, sondern  vielmehr Entsetzen und Zweifel, Verwirrung und Unverständnis.   Heute  behaupten  noch manche, die Jünger hätten Jesus  in ihren Gedanken, Träumen und Sehnsüchten wieder  zum Leben erweckt, da sie es nicht hätten wahrhaben wollen, daß alles aus sein soll mit ihm. 

Die Heilige Schrift gibt uns ein anderes Zeugnis. Wäre  Jesus  auf  den Glauben  seiner Jünger angewiesen gewesen, wäre er auf unseren Glauben angewiesen, vermutlich wäre er heute noch  im Grab. Hätte Gott sich nicht mit dem toten Jesus identifiziert und ihn zu seiner Rechten erhöht, er wäre arm dran - und wir wären es auch.  So  aber  ist und bleibt Gottes Tat das Fundament  unserer Osterbotschaft. Die lebenspendende Kraft Gottes, "der  die  Toten lebendig  macht  und das, was nicht ist, ins  Dasein  ruft"  (Röm 4,17), steht trotz und gegen alle Zweifel. Die  Botschaft vom leeren Grab soll ein Zeichen sein, eine Hilfe, den  Osterglauben verständlich zu machen. Mehr nicht.  Das  leere Grab ist und war nie die Hauptsache. Es ist auch kein Beweis. Man kann es auf  vielerlei  Weise  deuten,  man  kann   es   auch mißverstehen,  wie  Maria  von  Magdala  es  tat.  Aber  es  kann mithelfen, zum österlichen Glauben zu finden, zu diesem  Glauben, der  die  ganze  Palette menschlicher Erwartungen  auf  den  Kopf stellt. Ostern besagt ja nicht, daß das Erdenleben Jesu um einige Wochen  verlängert  worden wäre bis er  dann  irgendwann  in  den Himmel entschwindet. Was hätten wir davon? Das wäre für uns heute ohne Bedeutung. Nein,  Ostern besagt, daß hier am Grab Jesu eine neue  Weltepoche begonnen   hat,  neue  Schöpfung  aufgebrochen  ist.   Die   alte Schöpfung, der Lauf der alten Zeit und Welt ist überholt, vorbei. Etwas Neues ist geworden, ganz Neues. Eine neue Wirklichkeit, die nicht  mehr  im Zeichen des Todes, sondern im Zeichen des  Lebens steht.  Nicht nur eine Zeitenwende, eine WELTEN-Wende  stellt  das Ostergeschehen dar.  Freilich,  diese neue Welt, diese neue Schöpfung ist  nicht  noch einmal  eine  Schöpfung aus dem Nichts, wie am Anfang  der  Welt. Diese  neue  Schöpfung ist geschaffen aus der durch  Schuld  und Selbstzerstörung des Menschen bestimmten Wirklichkeit. Diese neue Welt  ist  entstanden aus der mit dem Siegel der  Sünde  und  der Gottesferne  und  damit  mit  dem  Stempel  der  Todverfallenheit versehenen Welt. Diese neue Ära ist aber - wiederum wie am Anfang - bewirkt  worden durch die liebende Zuwendung Gottes  zu  uns  und seiner   Schöpfung.   Er   schaut   nicht   nur   in   göttlicher Unbekümmertheit zu, jenseits und unberührt von aller  Schuld  und allem  Tod. Er gibt alle Distanz zu uns auf: zu uns, den von  ihm weggelaufenen  Geschöpfen. Er nimmt sich  der  durch  menschliche Schuld  dem  Tod preisgegebenen Welt an. Und er hat die  in  ihre Gottfremdheit verstrickte Welt mit sich versöhnt. Er  hat,  indem er   sich   hinter  den  toten  Jesus  stellte,  die  todgeweihte Menschheit  in seine liebenden Vaterarme genommen. So wurde  eine neue Beziehung zwischen Gott und   uns  Menschen.  Eine  neue Menschheit ist geworden,  der  Leben ermöglicht ist durch die von Gott angebotene Versöhnung.  Versöhnt  mit  Gott durch Jesus Christus, haben  wir  eine  ewige Zukunft  vor  uns. Unser Leben ist kein Wettlauf  zum  Tod,  kein Rennen  zum  Grab,  keine  Sackgasse,  aus  der  man  nicht  mehr herauskommt. Ostern, Auferstehung Jesu, das bedeutet: Unser Leben ist   nicht   ein   Unterwegs-Sein  zum  Friedhof,   sondern ein Unterwegs-Sein in Gottes Leben, in die Zukunft mit Gott. Dieser  Übergang vom Tod zum Leben, diese Möglichkeit,  sie  soll sich  nicht  nur  im  Angesicht des Grabes  durchsetzen,  sondern überall dort, wo Menschen alltäglich leben und hoffen, ringen und kämpfen,  sich  mühen und fragen, suchen und zweifeln.  Sie  soll dort  sichtbar  werden wo Menschen sich verfangen und  verstrickt haben  und keinen Ausweg mehr wissen. Dort, wo Menschen  am  Ende sind,   verzweifelt  und  ohne  Hoffnung,  dort,  wo  Beziehungen abgebrochen,  Bindungen  zerstört  sind  und  Verhältnisse   sich aufgelöst haben, wo lebendiges Miteinander sich totgelaufen  hat, dort,  wo  man  einander  aufgegeben  hat  wo  man  hilflos   und ohnmächtig  zum bloßen Zuschauer geworden ist dort kann  deutlich werden,  was  in der Auferstehung Jesu geschehen ist,  eine  neue Welt, neues Leben.   

Der Herr ist auferstanden. Und wir dürfen leben. Mit ihm. 

Amen. 

heiligenlexikon_button.png

button_evangelium_neu.jpg

  • Default
  • Titel
  • Datum
  • Random
MEHR ANZEIGEN Alle anzeigen

Joomla!-Debug-Konsole

Sitzung

Profil zum Laufzeitverhalten

Speichernutzung

Datenbankabfragen