Allerseelen - 2. November 2023

»Über Gräbern weht der Wind« heißt ein Satz in dem bekannten Anti-Kriegslied »Sag mir, wo die Blumen sind«. 

Ein Satz, der auch zum heutigen Allerseelentag passt. 

Mit dem Gedenken an unsere Toten werden wir herausgenommen aus so manchen schönen Träumen unseres Lebens. 

Unsere Sehnsucht von einer »heilen Welt« endet oft schmerzvoll an jener Grenze, die unserer menschlichen Wirkmacht entzogen ist, am Tod. Da wird ein Familienvater herausgerissen aus dem Kreis seiner Ehefrau und seiner Kinder, da stirbt die Großmutter, die noch für den Zusammenhalt der Großfamilie Garant war. Da blicken Eltern ins Grab ihres Sohnes, der durch Unfall ums Leben kam - da stehen andere Väter und Mütter fassungslos vor dem Grab der Tochter, deren Körper die zugeführten Drogen nicht mehr verkraftete. Da sehen wir Menschen aus den Kriegsgebieten, die verzweifelt um ihre Lieben trauern, die durch Terror, Bomben und Raketen aus dem Leben gerissen wurden.

Dies mussten auch die Schwestern Martha und Maria erleben und erkennen, als ihr Bruder Lazarus starb und ins Grab gelegt wurde. 

Keine Spur von heiler Welt? Oder einfach keine Spur von jener subjektiven Sicht einer heilen Welt, wie wir Menschen sie gerne hätten. Mit Tod- und Schmerzlosigkeit, mit Krankheitslosigkeit und anhaltendem Sonnenschein, mit bunt gemalten Farbbildern funktionierender Familien, mit Erfolgsmenschen auf den Siegerstraßen der Welt? 

Ein ehrlicher und realistischer Blick in unsere Welt zeigt, dass unsere Sehnsucht von einer solchen „heilen Welt“ viel früher endet als mit dem Tod, dem eigenen oder dem der anderen. 

Es muss uns Menschen also um mehr gehen, als um diese oberflächlichen Bilder eines schönen Lebens. Es muss uns um mehr gehen als um das kurzzeitige Hochgefühl, das Festhalten eines schönen Augenblicks. Unser Wesen sträubt sich gegen die Vergänglichkeit, alles in uns rebelliert angesichts des Todes eines geliebten Menschen dagegen, dass nun alles aus uns vorbei sein soll, einzig eine immer mehr verblassende Erinnerung zurückbleibt. 

Martha sagt zu Jesus: »Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.«

Ist die Antwort des Glaubens, die Antwort der Kirche, nur eine billige Vertröstung in dieser tragischen Situation des menschlichen Lebens?

Haben wir uns Rituale zurechtgelegt, in der würdigen Form des Begräbnisses, im Friedhofsbesuch, in der Totenmesse oder Andacht, um psychisch irgendwie mit dem Unbegreifbaren und Unannehmbaren zurecht zu kommen? 

Oder steckt doch mehr dahinter? 

Die Antwort gibt uns die Heilige Schrift in verschiedensten Facetten der Frohen Botschaft. Die Antwort liegt in unserem Herrn Jesus Christus selbst. Er kann uns nicht die Trauer um einen geliebten Menschen nehmen, der von dieser Welt gegangen ist. Aber Christus kann uns die Gewissheit auch in der Stunde der Trauer schenken, dass dieser Mensch nicht auf immer verloren, sondern „heimgegangen“ ist. Nicht in die Vergessenheit und Vergänglichkeit irdischen Zerfalls, sondern in die Ewigkeit eines Gottes, der der Himmel ist, wie es der verstorbene Papst Benedikt XVI. einmal in Lourdes es ausgedrückt hat. 

Wir wissen um die Endlichkeit dieser Welt, um die Vergänglichkeit unseres eigenen Lebens und des Lebens unserer Lieben. Wir denken heute besonders an all jene, die wir schmerzlich vermissen, die eine offene Wunde in unserer Seele hinterlassen haben. Wir denken an jene, denen wir gerne noch etwas gesagt hätten - und wäre es nur ein „Danke“ oder ein Wort des Verzeihens gewesen. 

Doch wir dürfen auf das Wort des Herrn Jesus Christus vertrauen, der selbst den Tod überwunden und die Tür zum Leben aufgestoßen hat. 

Jesus sagte zu Martha: »Jesus sagte zu ihr:
Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt,
wird auf ewig nicht sterben.«

Auf diese Zusage dürfen wir vertrauen. Sie ist keine billige Vertröstung, sondern die letzte Wahrheit unseres Lebens. 

»Bedrückt uns auch das Los des sicheren Todes«, sagt uns das Messbuch, »so tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterblichkeit.«

Amen. 

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