6. Sonntag der Osterzeit - A - 14. Mai 2023

 

 

Der Apostel Johannes schildert uns in 4 Kapiteln seines Evangeliums den Abschied Jesu von seinen Jüngern. Der Fußwaschung und dem letzten Abendmahl folgen die Abschiedsreden und –Gebete. Die heutige Perikope gehört zu den Trostworten, die einen neuen Beistand ankündigen, den Heiligen Geist. Jesus beschreibt diesen neuen Beistand, um den er den Vater bitten wird: 

Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt.

Der Welt – im griechischen Text „Kosmos“ – fehlt also die Sensibilität für Jesus wie auch für den Geist. Die Jünger des Herrn aber treten aus dieser Anonymität des Kosmos, aus der Welt der unsensiblen Ablehnung Jesu heraus, indem sie die Liebe zu Gott zu ihrem Wesensgrund machen.

Werfen wir einen Blick auf unsere heutige Welt, auf „unseren Kosmos“ – Ähnlich wie vor 2000 Jahren müssen wir leider auch heute eine weitgehend fehlende Sensibilität gegenüber dem Herrn, gegenüber dem Geist der Wahrheit erkennen.

Der heilige Geist, der Geist der Liebe, der uns gleichsam die „Vernunft“ Gottes unserer eigenen Vernunft gegenüberstellt, wird oftmals nicht wahrgenommen. Die tiefe göttliche Logik, ausgehend von seiner Liebe, die sich wie ein roter Faden durch den gesamten Heilsplan zieht, erscheint uns Menschen mehr und mehr unverständlich.

Der Anspruch Jesu, seine Liebe in unserem Leben zu verwirklichen, sie zum Grund und Anfang all unseres Tuns zu machen, ist für viele Menschen in weite Ferne gerückt.  Zerbrochene Familien, gescheitert am Fehlen der wahren Liebe, zerstört durch Egoismus und Lieblosigkeit; Menschen in Armut, ohne Arbeit, weil sie mit ihren 50 Jahren nicht mehr ins Firmenkonzept paßten; Jugendliche ohne Zukunftsaussichten. Die immer größer werdende innere Heimatlosigkeit des Menschen, die kaum stillbare Sehnsucht nach erfülltem Leben. – Das ist die eine Wirklichkeit unseres heutigen Kosmos. 

Der Geist der Wahrheit – den die Welt nicht kennt.

Es ist an der Zeit, diesen Geist der Wahrheit, den Geist der göttlichen Liebe wieder ernst zu nehmen, ihn in unser Leben einzulassen.

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. So zeigt uns Jesus Christus heute einen Weg aus der Dunkelheit des Unverständnisses unserer Welt.

Ich denke dabei an ein Spiel mit Dominosteinen, das ich als Kind oft gerne gespielt habe. Die Steine habe ich in kunstvoller Ordnung aufgestellt, und mich dann köstlich amüsiert, wenn sie nach Anstoßen des ersten Steins alle umgefallen sind. Es war ärgerlich, wenn die Reihe abriß, weil man gerade an dieser Stelle bei der Vorbereitung zu wenig Sorgfalt verwendet hatte. Wenn ein Stein den anderen umwirft, dann liegen zum Schluß alle. Wenn die Voraussetzung stimmt, dann kann ich mich auf das Ergebnis verlassen und mich darüber freuen. – 

Der erste Stein in dem Dominospiel unseres Lebens ist die Liebe zu Jesus. Wenn ihr mich liebt, so spricht er uns an. Dieser erste Stein, der Grundstein sozusagen in der Liebe zu Jesus Christus, er löst die weiteren Konsequenzen wie von selbst aus.

Die Liebe zu Jesus Christus ermöglicht uns, den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit in unserem Leben neu zu empfangen. Die Jünger haben dies in den Jahren, die sie mit Jesus verbracht haben, kennengelernt. Die Liebe zu ihm, den sie Meister nennen, - der auch unser Meister-, unser Lebenslehrer sein möchte – ist der Beginn. 

Jesus hat uns zuerst geliebt. Erwidern wir diese Liebe? Lassen wir der Faszination, die Christus auf uns ausübt, Raum in unserem Leben? Setzen wir durch die Liebe zu ihm einen Prozeß in Gang, der uns heil macht?

Erst dann, wenn wir von seiner Art zu leben und von seinem Verhältnis zu Gott Vater begeistert sind, haben wir genügend Kraft und Motivation, ihm nachzufolgen. 

Denn Christus nachzufolgen bedeutet, die Menschen wahrnehmen, die er wahrgenommen hat, die Gescheiterten, die Leidenden, die Ausgestoßenen, und sich um sie zu kümmern. Ihm nachzufolgen bedeutet Mut haben, die Selbstgerechten und die Sünder durch unser Wort und unser Zeugnis anzusprechen und sie zur Umkehr zu ermuntern. 

Bemühen wir uns, diese Liebe zu Jesus Christus wieder neu in unseren Herzen aufflammen zu lassen. Lassen wir uns durch Seine Liebe, durch die Nähe Gottes  die Kälte unserer Zeit aus dem Herzen vertreiben, damit unsere Herzen offen sind für den Geist der Wahrheit, der uns beleben und stärken will.

 

Amen.

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