29. Oktober 2016 - Selige Restituta Maria Kafka

 

Es ist eine besondere Herausforderung, in diesem ausserordentlichen Jahr der Barmherzigkeit, das Leben der seligen Restituta Maria Kafka zu betrachten. 

Eine Herausforderung in mehrfacher Weise. Vor knapp einer Woche wurde die neu gestaltete Restituta-Dokumentation im Wiener Hartmannspital eröffnet. Eine Neugestaltung war notwendig geworden, da das Spital die ehemaligen Räume brauchte und nun im 1. Stock des Hauptgebäudes neue Räumlichkeiten mit barrierefreiem Zugang bereit gestellt hat. 

Auf leuchtenden Tafeln werden Zeitdokumente präsentiert. Und überall lacht uns das Gesicht dieser mutigen, starken, gläubigen Frau entgegen. Ein einziges Bild zeigt sie ernst, ja mißtrauisch: Jenes, das von der Gestapo aufgenommen wurde, als Sr. Maria Restituta verhaftet wurde - und ihr Weg ins Martyrium vorgezeichnet wurde. 

Doch aus den anderen Bildern strahlt uns Gottes Barmherzigkeit entgegen! Und diese Barmherzigkeit hat Maria Restituta gelebt! Ihr Umgang mit den Kranken, ihre Bereitschaft - weit über ihre Verpflichtung hinaus - für die Kranken zu sorgen (Maria Restituta hat damals schon Hauskrankenpflege betrieben, die Menschen daheim besucht, die Verbände gewechselt, etc.), ihre Bereitschaft, für die Patienten einzutreten, ohne Blick auf Rasse, Nation, Religion und politische Gesinnung. Das sind diese klaren Zeichen göttlicher Barmherzigkeit, die uns in der seligen Märtyrerin begegnen. Sie hat auf diese Weise eine Verkündigung der göttlichen Liebe, der christlichen Liebe bewerkstelligt, die uns vorbildhaft auch in unserer Zeit angeraten ist. Was die Ordensbezeichnung ausdrückt: Franziskanerin von der christlichen Liebe - das hat Restituta mit jedem Atemzug gelebt. 

Restituta war sicher nicht das Idealbild einer asketischen Nonne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Mehr breit als hoch“ können wir sie uns vorstellen. 1,60 m groß und 100 kg. schwer. Ein Foto in der Dokumentation zeigt sie im Kreis ihres Schwagers und ihrer Schwester. Und Maria Restituta hat eine Flasche Bier in der Hand! Sie liebte gutes Essen. Wenn einmal das Essen im Refektorium der Schwestern im Spital Mödling nicht ihren Vorstellungen entsprach, ging sie hinauf in den sogenannten „Zahlstock“, also zu den Privatpatienten und holte sich dort das Sonderklasse-Menü! Und nach schweren Operationen ging sie gern zu ihrer Freundin, der Wirtin des Gasthauses Mader (etwa dort gelegen, wo heute der Hofer-Markt bei der Südbahn in Mödling steht), um im Hinterzimmer ein Gulasch und ein Krügel Bier zu genießen. 

Wahrlich kein Idealbild einer Nonne! Und doch eine so großartige Frau,  mit einem tiefen Glauben, einem kindlichen Vertrauen auf Gott und seine Heiligen. Wenn sie am Sonntag Nachmittag einige Stunden Zeit hatte, pilgerte sie zu Fuß nach Maria Enzersdorf, wo in der Franziskanerkirche das Grab ihrer Namenspatronin, der Hl. Restituta von Sora, zu finden ist. Dort betete sie - und ein Gebet zur Hl. Restituta hatte sie unter ihren Aufzeichnungen, um es regelmäßig zu verrichten. Und - so hat ihr Beichtvater bezeugt - im Gefängnis, in diesen Monaten bis zur Hinrichtung wurde sie zur Heiligen! „Für Christus habe ich gelebt, für Christus will ich sterben, werde ich sterben!“, sagte sie zu einer Mitinsassin des Wiener Landesgerichtes. Ein Glaube, der sogar die Atheistinnen, die mit ihr inhaftiert sind, zutiefst im Herzen bewegte. Eine starke Frau, die offenen Auges ihrem Tod entgegenschritt, auf Beruhigungsmittel verzichtete und die Schergen des Naziregimes tief beeindruckte, die das Todesurteil zu vollstrecken hatten. 

Gerade aus diesem Bogen ihres Lebens können wir die göttliche Barmherzigkeit in vollendeter Weise aufleuchten sehen. 

Er hat dieser Frau die Kraft gegeben, in einer der dunkelsten Zeit unserer Geschichte herauszuleuchten aus dem Nebel derer, die vor Angst stumm geworden sind, die lieber mitgetan haben, Mitläufer oder stille Dulder waren, anstatt dagegen aufzutreten. Sicher - es hat auch kritische Stimmen über das Verhalten der mutigen Nonne gegeben. Hätte sie geschwiegen, so sagte man in Mödling, hätte sie überlebt. Hätte sie sich arrangiert mit den Einflußreichen, wäre sie gerettet worden. - Ja, vielleicht gerettet in einem kurzsichtigen, irdischen Denken! 

Was wäre dann anders gewesen? Da wäre den kranken Menschen in den Spitalszimmern der Blick auf die einzige Hoffnung, auf den Herrn am Kreuz verwehrt geblieben, hätte sich nicht Sr. Restituta durchgesetzt und gegen den klaren Auftrag der damaligen Zeit dennoch die Kreuze in den Zimmern aufgehängt. Denn das Kreuz ist für sie - und für uns - die einzige Antwort auf all das Leid und die Not der Welt. „Wo ist den Christus“, so fragen viele Menschen, „wenn Menschen leiden und sterben, in den Wirren der Naturkatastrophen, unter den Trümmern eingestürzter Häuser, die den Erdbeben nicht standhielten? Wo ist den Christus, wenn Menschen unter dem grausamen Regime des Islamischen Staates enthauptet werden, verschleppt, versklavt?“ - Im irdischen Sinne können wir keine Antwort geben. Aber der Glaube sagt uns - „Wo war Christus? Wo ist er? Er ist am Kreuz! Er leidet mit jedem einzelnen, er fügt jedes einzelne Leiden, jedes Martyrium, all die Not der Menschen ein in das große Ganze, in die eine und einzige Erlösungstat, die diese Welt verwandelt, die Reich Gottes wachsen läßt in dieser Welt, für uns und mit uns. 

Das hat Restituta verstanden. Auch wenn sie durchaus streng zu so manchen Patienten sein konnte, wenn diese allzu viel Selbstmitleid zeigten, „hantig“ hätten wir dies in Wien oder auch im Burgenland genannt, die Patienten wußten in ihr eine klare Fürsprecherin für ihre Anliegen. Zugunsten der Kranken hat sie sich auch gegen ihre Vorgesetzten gestellt. Der vom Nationalsozialismus begeisterte Primararzt, der den erkrankten jüdischen Patienten nicht behandeln wollte, mußte sich von Restituta anhören: „Herr Primar, sie benehmen sich wie ein Schwein!“ - In seinem Hass auf Restituta war er vermutlich auch dafür verantwortlich, dass ihr das Soldatenlied zugespielt wurde, das sie dann abschreiben und vervielfältigen ließ. Und aufgrund dieses Liedes wurde sie verhaftet, wegen Hochverrates verurteilt und letztlich hingerichtet. 

In ihrem Orden war sie beliebt für ihren Humor! Gleich war die Ziehharmonika zur Hand, wenn etwas zu feiern war, gleich stimmte sie das eine oder andere Lied aus ihrer Heimat an. Eine Stimmungskanone, würde man heute sagen. 

An der seligen Restituta Maria Kafka erkennen wir, dass die Barmherzigkeit Gottes, an der wir auf unsere menschliche Weise teilhaben sollen - barmherzig wie der Vater, wie es das Motto des heurigen Jahres der Barmherzigkeit sagt - keine abstrakte Größe, kein Gegenstand akademisch-theologischer Forschung ist. Barmherzigkeit ist etwas Konkretes. Sie muß sich täglich bewähren, im Umgang mit Gott und unseren Mitmenschen. In der Bereitschaft, in jeder Lebenslage, jedem Menschen mit Liebe und Wohlwollen zu begegnen. In der Bereitschaft, wie die Selige Restituta nicht auf Nationalität oder politische Gesinnung, nicht auf Hautfarbe oder Religion zu schauen. Denn jeder Mensch hat das Recht, von uns wohlwollend und barmherzig behandelt zu werden. Als Kinder des einen Vaters dürfen wir neu darüber nachdenken. 

Möge das Gedenken an diese großartige Ordensfrau, die im Gewaltregime des Nationalsozialismus ihr irdisches Leben ließ und für den Himmel geboren wurde, ein mahnendes Zeichen sein, wie Menschlichkeit und Nächstenliebe auch den größten Hass besiegen kann. Zugleich auch Zeichen dafür, wie durch unser eigenes barmherziges Wirken in dieser Welt das Antlitz des leidenden Christus, des auferstandenen und lebendigen Herrn, der uns das Leben schenkt, wieder sichtbar gemacht werden kann. 

Amen. 

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