Sehr hörenswert!
Unsere Radiosendereihe "Bittet den Herrn der Ernte..." (Mt 9,38) geht weiter. Am Sonntag, 26.10., sprach Regens Mag. Martin Leitner über die Priesterausbildung. Er ist Direktor des Überdiözesanen Priesterseminars Leopoldinum Heiligenkreuz.
Beten wir um geistliche Berufungen!
Das Textkonzept zur Sendung zum Nachlesen:
„Mein Wunsch ist es, daß Ihr den Herrn der Ernte inständig und stetig um neue Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben bittet.“ - Das sagte der Heilige Papst Johannes Paul II. am 20. Juni 1998 anlässlich seines Österreichbesuches beim Festgottesdienst in St. Pölten. Am heutigen österreichischen Nationalfeiertag war es mir ein Anliegen, mit einem Zitat dieses großen Heiligen an der Schwelle zum dritten Jahrtausend zu beginnen, das er in Österreich ausgesprochen hat, und das so treffend in unser Thema einführt.
Ich grüße sie alle herzlich, die am heutigen Tag diese Sendung hören. Ich freue mich und bin dankbar, dass ich die Gelegenheit habe, heute über das Thema Berufung, Begleitung der Seminaristen zu sprechen.
Es ist der Wunsch des heiligen Johannes Paul II., um Berufungen zu beten! Ist es auch unser Wunsch? Ist es unsere Sehnsucht? - Und wird aus diesem Wünschen, dieser Sehnsucht auch wirklich das inständige Gebet um Arbeiter für den Weinberg des Herrn?
Wir hören ja oftmals Klagen: „Jetzt muß der Nachbarpfarrer unsere Gemeinde mit betreuen. Der Priestermangel ist groß“.
Der Heilige Johannes Paul II. sagte dazu in der eben zitierten Predigt: „Das Klagen über den Mangel an Priestern und Ordensleuten hilft wenig. Berufungen sind menschlich nicht zu ‚machen‘. Berufungen können aber von Gott erbeten werden.“
Ja, Berufungen sind menschlich nicht zu „machen“. Niemand kann sich wirklich endgültig die Berufung selbst einreden. Niemanden kann sie von außen eingeredet werden. Niemand kann allein durch Studien, durch akademische Begabung, durch Redegewandtheit allein sagen, dass er nun zum Priester geeignet ist. Es ist der leise Ruf Gottes - ganz persönlich, ganz unverwechselbar, der den jungen Menschen trifft. Ein Rufen, ein Drängen, Wege, die plötzlich in eine Richtung weisen.
Berufungen können aber von Gott erbeten werden. Das Gebet ist unersetzbar wichtig für diese Männer. Dass sie selber den Mut haben, dieser herrlichen Berufung nachzugehen, sich nicht abschrecken lassen von den Unkenrufen unserer Zeit, einer Gesellschaft, die oftmals nur mehr sich selber sieht und verlernt hat, über diese Grenze des Irdischen, des menschlich Machbaren hinauszuschauen.
Das Gebet ist unersetzbar wichtig, dass in den Berufenen so manche offene Fragen beantwortet werden, dass die Kraft da ist, sich aus den althergebrachten, liebgewordenen Gleisen herausreissen zu lassen, sich eben auf neue Wege führen zu lassen.
In seinem Schreiben „Pastores dabo vobis“ - „Ich schenke euch Hirten nach meinem Herzen“, finden wir eine wunderbare Definition dessen, was die Berufung zum Priester, was die Identität des Priesters ausmacht:
„Gott ruft seine Priester immer aus einer bestimmten menschlichen und kirchlichen Umgebung, von der sie unweigerlich geprägt werden und in die sie für den Dienst am Evangelium Christi gesandt werden.“
Gewiß gibt es einen Wesenszug des Priesters, der sich nicht verändert: der Priester von morgen muß nicht weniger als der von heute Christus ähnlich sein. Jesus zeigte, als er auf Erden lebte, aus sich selbst heraus das endgültige Gesicht des Priesters, indem er ein Priesteramt verwirklichte, mit dem die Apostel als erste betraut wurden. Es ist dazu bestimmt, fortzudauern und sich in allen Geschichtsperioden unaufhörlich fortzupflanzen. Der Priester des dritten Jahrtausends wird in diesem Sinn die Reihe der Priester fortsetzen, die in den vorhergegangenen Jahrtausenden das Leben der Kirche beseelt haben. Auch im Jahr 2000 wird die priesterliche Berufung weiterhin der Ruf dazu sein, das einzige und ewige Priestertum Christi zu leben“. - Zitat Ende.
Gebet um Berufungen, Gebet für die Berufenen, Gebet vor allem auch für die Priester, dass sie ihrer Berufung treu bleiben, dass sie täglich neu erfahren können und auch neu lernen zu erfahren, wie ihre Berufung, ihr Priestersein sie ganz schlicht und einfach glücklich macht!
Das ist die Aufgabe von uns allen. Und das lege ich Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer von Radio Horeb, ganz fest ans Herz!
Ich stehe noch unter dem Eindruck eines Kongresses, der Anfang Oktober in Castel Gandolfo bei Rom stattgefunden hat. Auf Einladung der Kleruskongregation trafen sich Kardinäle, Bischöfe, Seminarregenten, Spirituale aus aller Welt, um sich vertiefend mit der neuen Ausbildungsordnung für die Priesterseminare, der sogenannten Ratio Fundamentalis zu beschäftigen.
Es waren sehr dichte Tage. Es wird Monate dauern, bis all die Stellungnahmen, Vorträge und Erörtertungen aufgearbeitet sind. Was als Eindruck bleibt, ist das großartige Miteinander aller Beteiligten, über sprachliche und nationale Grenzen hinweg. Die gemeinsame Sorge um die Berufungen, das intensive Bemühen, in der Ausbildung ein Umfeld zu schaffen, das es dem jungen Menschen ermöglicht, in diese Gleichgestaltung mit Christus mehr und mehr hineinzufinden.
Der Titel der neuen Ausbildungsordnung ist schon aus sich heraus Programm: „Das Geschenk der Berufung“. Und gleich am Anfang wird unser Heiliger Vater, Papst Franziskus zitiert, der am 3. Oktober 2014 in einer Rede vor der Kleruskongregation sagte: «Es geht darum, die Berufungen zu bewahren und wachsen zu lassen, damit sie reife Früchte tragen. Sie sind ein „Rohdiamant“, der mit Sorgfalt, Achtung vor dem Gewissen der Personen und Geduld bearbeitet werden muss, um inmitten des Gottesvolkes zu erstrahlen»
Welche Freude über jeden einzelnen, der dem Ruf zum Priestertum folgt, ist hier zu spüren! Und vor allem welche große Wertschätzung für jene, die bereit sind, den Ruf Gottes anzunehmen und für ihr ganzes Leben sich innig dem Herrn anzuvertrauen, sich mit Jesus Christus täglich mehr gleichgestalten zu lassen!
Ein Regens aus Deutschland hat am Rande des Kongresses einen bemerkenswerten Satz gesagt: „Noch nie haben wir uns so intensiv mit der Ausbildung und Begleitung der Seminaristen beschäftigt - und noch nie hatten wir so wenig Seminaristen wie heute!“
Was der Regens hier so prägnant ausgesprochen hat, muß uns nachdenklich stimmen. Legen wir vielleicht die Latte zu hoch? Haben vielleicht so manche sogenannte Reformbewegungen recht, die eine Öffnung des Priesteramtes für Frauen oder für Verheiratete fordern?
Abgesehen davon, dass es hier klare Stellungnahmen des Hl. Stuhls gibt, dürfen wir eines erkennen: Gerade dort, wo es um eine Krise geht, wäre es grundverkehrt, an Zulassungsbedingungen zu drehen. Es ist goldrichtig, sich mehr und intensiv mit der Ausbildung und Formation zu beschäftigen.
Und hier zeichnet sich auch ein Wechsel in der Betrachtungsweise ab. Die neue Ausbildungsordnung endet nicht bei der Priesterweihe. Es geht um die lebenslange Formation, lebenslange Begleitung der Priester.
Und das hat seinen guten Grund.
Wo kann ein junger Mensch seine Berufung finden und entdecken? Wohl kaum dort, wo ihm im Priester ein abgespannter, überarbeiteter, frustrierter Manager begegnet, der keine Zeit mehr hat für eigenes geistliches Leben, der von einem Gottesdienst zum nächsten, von einem Event zum nächsten hetzt.
Wohl kaum in Priesterpersönlichkeiten, die sich nur mehr negativ definieren in der Trauer darüber, was ihnen im Leben alles entgangen ist, was ihnen alles vorenthalten wurde.
Es braucht gute, gestärkte, ihrer Identität bewußte Priesterpersönlichkeiten, die mit ihrer Freude an der Berufung, mit ihrem Eifer im Tun und mit ihrer Kraft und Stärke andere anstecken, mitreissen, begeistern können.
Daher ist es wichtig, auf diese weitere Formation und Begleitung der Priester das Augenmerk zu richten, als unersetzbare Ergänzung dessen, was im Priesterseminar geschieht.
Der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Odilo Pedro Scherer, hat sich in seinem Vortrag anlässlich des Kongresses intensiv mit der Frage der Laufenden Formation, der lebenslangen Formation beschäftigt. Er leitete seinen Vortrag mit etwa diesen Worten ein:
„Das Priesteramt ist entscheidend für das Leben und die Sendung der Kirche. Ebenso wichtig ist eine gute Ausbildung für das Leben und die Sendung der Kirche. In Zeiten der Krise in der Kirche im Laufe der Geschichte gab es immer die Sorge um die Priesterausbildung und die Erneuerung der Disziplin des Klerus.
Die Erneuerung des kirchlichen Lebens und der Evangelisierung wird in der Regel durch die erneute Aufmerksamkeit der Kirche für Berufungen und Priesterausbildung begleitet. Die gleiche Sorge ist auch in dem Moment angebracht, wenn die Schwäche des Alters beschwerlich wird.
Kapitel IV der neuen Ratio Fundamentalis präsentiert eine Übersicht der Priesterausbildung als „Laufende Formation", die das gesamte Leben des Priesters ausgehend von der Seelsorge der Berufungen bis zum lebenslangen Lernen des Priesters durchzieht.
Priesterausbildung begleitet alle Phasen des priesterlichen Lebens und darf nicht nur auf den „ersten Stop in der Werkstatt“ reduziert werden. Die frühen Jahre des priesterlichen Dienstes erfordern besondere Aufmerksamkeit; Gleiches gilt für die nächsten Jahre des priesterlichen Lebens. Ohne einen richtigen Plan der Weiterbildung kann der Priester riskieren, selbst ein Opfer der Umstände zu werden und andere Probleme könnten ihn sogar dazu verleiten, die Beweggründe seiner Berufung, seiner Begabung, der Ausübung seines Dienstes zu verlieren .“
- Ich muß hier kurz anmerken, dass mir dieser Text derzeit nur in italienischer Sprache vorliegt. Also bitte um Verständnis, wenn eine offizielle Übersetzung in wenigen Wochen ein bisschen davon abweicht.
Kardinal Scherer zitiert dann die Ausbildungsordnung und unterscheidet die folgenden Etappen:
Innerhalb der Erstausbildung, der prinzipiellen Formation gibt es die Stufe der
-Vorbereitungsphase oder Propädeutikum
-Stufe der philosophischen Studien oder der Jüngerschaft;
-Stufe der theologischen Studien oder Gleichgestaltung;
-Pastorale Phase oder Berufungssynthese.
In Österreich ist ja seit über 17 Jahren das Propädeutikum eingeführt. Da gibt es bereits großartige Erfahrungen aus diesen Jahrgängen. Und ich weiß von Zeugnissen der Seminaristen in unserem Überdiözesanen Priesterseminar in Heiligenkreuz, wie sie auf verschiedene Weise von dieser Vorbereitungsphase profitiert haben.
Die Seminaristen können im Propädeutikum beten lernen - „kirchlich beten“ lernen. Viele kommen heute aus Erneuerungsbewegungen, viele haben Bekehrungserlebnisse hinter sich und sind zum Teil auch von der individualistischen Kultur des 21. Jahrhunderts geprägt, wo man „sich das Leben gerichtet hat“. Und das gilt oft auch für das geistliche Leben.
Die Seminaristen lernen „gemeinsames Leben“ - hoffentlich auch die soziale Intelligenz, die sie später nach der Priesterweihe nicht zu Einzelkämpfern verkommen läßt, sondern sie befähigt, im mitbrüderlichen Umgang Gemeinschaft zu pflegen, sich gegenseitig zu stützen und Rückhalt zu finden.
Kardinal Scherer sagt dazu, dass je nach Situation der Ortskirche und Kulturbereich dieses Propädeutikum in seiner Ausprägung auch sehr verschieden angelegt sein kann. Das Wichtigste ist aber, dass es sich um eine Zeit der Einsicht, der Auseinandersetzung mit der priesterlichen Berufung handelt, dass es sich örtlich und räumlich vom Priesterseminar unterscheidet, und dass gute Ausbildner ganz persönlich auf die einzelnen Seminaristen eingehen können.
Ich glaube in diesem letzten Wesenszug liegt auch eine große Aufgabe und zugleich Chance in der Priesterausbildung heute. Die persönliche Begleitung eines jeden Einzelnen auf seinem ganz eigenen, unverwechselbaren Berufungsweg. Und dies beginnt bereits im Propädeutikum.
Jetzt darf ich sozusagen aus dem Nähkästchen plaudern, denn die Zeit des Priesterseminars ist ja auch der Aufgabenbereich, in dem ich tätig sein darf.
Und es ist für mich schön und interessant, dass diese Zeit zuerst als Zeit der Jüngerschaft, dann als Zeit der Gleichgestaltung mit Christus genannt wird.
Kardinal Scherer hat diese Zeit der Jüngerschaft folgendermaßen beschrieben: „Das Bildungsziel der Stufe der philosophischen Studien ist Jüngerschaft und Nachfolge Christi. Der Priester muss zunächst und lebenslang ein guter Christ sein, ein wahrer Jünger Jesu Christi.
Von ihm Meister genannt, lernt der Schüler mit ihm, ihn zu kennen und in seine Fußstapfen zu treten, um im Einklang mit dem Lehrer zu einer persönlichen und familiären Beziehung der Freundschaft mit ihm zu kommen; Er lernt die Geheimnisse des Reiches Gottes. Dies ist die Voraussetzung für die Seminaristen, ganzheitlich als zukünftige Priester im Dienst an Gott und seinem Volk in der Verkündigung und Bezeugung des Evangeliums zu sein.“
Ich freue mich sehr über jene, die neu zu uns ins Leopoldinum kommen. Ich freue mich über ihren Enthusiasmus, über ihren Glaubenseifer, oft auch Übereifer im Gebet. Am liebsten gleich von Anfang an das ganze Stundenbuch, am liebsten gleich alles zugleich studieren, am liebsten jeden Abend Anbetung! Das tut gut! Auch wenn so mancher Eifer mit Väterlicher Güte und Milde gedämpft werden muß, in Bahnen des christlichen Alltags gelenkt werden muß. Es ist doch erfreulich zu sehen, wie junge Menschen fähig sind zu Begeisterung. „Wie dem Adler wird dir die Jugend erneuert“, steht im Psalm. Ich darf das täglich erleben, weil diese Frische der Berufung auch Priester wie mich anstecken kann. Und schließlich darf ich im kommenden Jahr schon das 20jährige Weihejubiläum begehen.
Kardinal Scherer beschreibt den Inhalt dieser ersten Etappe innerhalb des Priesterseminars so: „Die Kandidaten für das Priestertum müssen die Nachfolge Christi lernen, durch das Hören auf das Wort Gottes und die pastorale Liebe, mit den gleichen Gefühlen wie Christus gegenüber den Schafen seiner Herde; der Priester muss bereit sein, sein Opfer zum Wohle der Herde, und sein Leben zu geben für das Leben der Schafe.
Die Stufe der philosophischen Studien muss die intellektuelle und kulturelle Reife der Kandidaten bilden durch philosophische Studien und das Wissen über wichtige Themen vom Denken der Menschheit, die Entwicklung der Fähigkeit der kritischen Unterscheidung der philosophischen und kulturellen Ansätze, die Gegenentwürfe zum Christlichen darstellen.“
Die Seminaristen spüren - so darf ich das aus der Seminarerfahrung beschreiben - sehr bald, dass es nötig ist, die Spannung auszuhalten zwischen einer tief vertrauten, fast kindlichen Zuneigung zum Herrn, zu seiner himmlischen Mutter, zur Kirche auf der einen Seite und zur Notwendigkeit, klar konturierte und akademisch haltbare Studien zu absolvieren. Die Befähigung zum Priester beschränkt sich weder in möglichst kurz gehaltenen Gebetszeiten, noch im fehlerlosen Ausmalen des Religionsbüchleins. Theologie ist eine akademische Wissenschaft, die philosophischen Disziplinen ebenso. Und all dies darf eingebunden sein in einen Tagesablauf, eine Tagesordnung, die Raum läßt für die persönliche und gemeinschaftliche Begegnung mit dem Herrn, im Gebet, in der Feier der Eucharistie, in den Zeiten der Stille und der Betrachtung.
Der zweite Teil im Seminar, etwa im Rahmen des zweiten Studienabschnitts, also der theologischen Studien, wird von der Ausbildungsordnung als Zeit der Gleichgestaltung beschrieben.
Dazu sagt Kardinal Odilo Pedro Scherer: „Die mystische Vereinigung mit Christus, dem Knecht, Hirten, Leiter und Bräutigam der Kirche, ist das Ziel dieser Phase der Ausbildung zum Priestertum. Dem Seminaristen soll geholfen werden, sich mit Jesus so zu verbinden, dass er in der Lage ist, sein Leben als Geschenk zu Christus und seiner Kirche zu machen.
In der Phase der theologischen Studien oder der Gleichgestaltung sollten die Kandidaten für das Priestertum eine erste solide theologische Ausbildung erwerben, mit dem Wissen über das Erbe des Glaubens und des Lebens der Kirche, die ausreichend ist und ihnen hilft, die Durchführung der Mission der Evangelisierung durch Verkündigung für die Weitergabe des Glaubens und für den theologischen und kulturellen Dialog mit der Welt zu meistern.
Die Ausbildung dieser Phase hilft dem Kandidaten zum Priestertum, die priesterliche Identität, die priesterliche Lebensform, die Intimität und Freundschaft mit dem Herrn, die Betrachtung seiner Person, das Hören auf sein Wort zu übernehmen und die Gleichgestaltung seiner Gefühle mit denen von Jesus Christus zu erreichen.
Während der Phase des Theologiestudiums lernt der künftige Priester eine Methode
geistlichen Lebens im Einklang mit der priesterlichen Lebensform. Nach dem Vorbild des guten Hirten, lernt er die Schafe zu lieben, um ihnen sein Leben zu schenken und besondere Aufmerksamkeit für die Bedürftigsten in Not zu haben.“
Dies klingt vielleicht ein wenig pathetisch. Aber es trifft genau den Punkt dessen, was für die heutige Welt nötig und richtig ist. Ein Priester kann und darf nur aus der tiefen Freundschaft mit dem Herrn wirken, gleichgestaltet mit Christus als guter Hirte seiner Herde, ein zweiter Christus, Christus selbst in seinem priesterlichen Tun.
Vielleicht kommt bei Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, auch der Gedanke: Ja, braucht es dazu das Priesterseminar? Wäre es nicht besser, die jungen Priesteramtskandidaten in der pfarrlichen Praxis auszubilden, auf Missionseinsätze zu senden, das alltägliche Leben und Ringen vor Ort auch wirklich mitzuerleben?
Abgesehen davon, dass dies Ausbildungsordnung genau solche Praxiseinsätze neben der Seminarausbildung vorsieht - und diese auf die verschiedenste Art und Weise auch den Seminaren umgesetzt werden, darf niemals übersehen werden, dass Priesterausbildung nicht solitär, sondern immer in der Gemeinschaft erfolgen soll.
Bischof Felix Genn aus Münster hat dies in seinem Referat auch sehr prägnant herausgestrichen: „Das einzelne Seminar ist der konkrete Ort, an dem die Priesterausbildung stattfindet und an dem die ekklesiologischen Konzepte und die pädagogischen Inspirationen verwirklicht werden. … Soll der Seminarist einmal als Priester seelsorglich wirken, so setzt dieses die Überwindung von jeder Form des Individualismus, der Überheblichkeit und der Geltungssucht voraus. Nur als Mensch der Gemeinschaft, der Sendung und des Dialogs kann er sein Leben für andere anbieten und darin Christus gleichförmig sein.“
Ich möchte ein Wort aus dem Brief von Papst Benedikt XVI. an die Seminaristen zitieren, den er im Jahre 2010 abgefaßt hat: Er schreibt hier:
Wer Priester werden will, muß vor allem ein „Gottesmensch“ sein, wie der heilige Paulus es ausdrückt (1Tim 6,11). Gott ist für uns nicht eine ferne Hypothese, nicht ein Unbekannter, der sich nach dem Urknall zurückgezogen hat. Gott hat sich gezeigt in Jesus Christus. Im Gesicht Jesu Christi sehen wir das Gesicht Gottes. In seinen Worten hören wir Gott selbst mit uns reden. Deshalb ist das Allerwichtigste auf dem Weg zum Priestertum und das ganze Priesterleben hindurch die persönliche Beziehung zu Gott in Jesus Christus. Der Priester ist nicht der Verwalter irgendeines Vereins, dessen Mitgliederzahl er zu erhalten und zu vergrößern versucht. Er ist der Bote Gottes unter den Menschen. Er will zu Gott hinführen und so auch die rechte Gemeinschaft der Menschen untereinander wachsen lassen. Deshalb ist es so wichtig, liebe Freunde, daß Ihr im stetigen Kontakt mit Gott zu leben lernt. Wenn der Herr sagt: „Betet allezeit“, dann fordert er uns natürlich nicht dazu auf, dauernd Gebetsworte zu sprechen, sondern dazu, den inneren Kontakt mit Gott nie zu verlieren. In ihn uns einzuüben, ist der Sinn unseres Betens. Deshalb ist es wichtig, daß der Tag mit Gebet beginnt und mit Gebet endet. Daß wir in der Schriftlesung ihm zuhören. Daß wir ihm unsere Wünsche und Hoffnungen, unsere Freuden und Leiden, unsere Fehler und unseren Dank für alles Schöne mitteilen und so ihn als Bezugspunkt unseres Lebens immer vor Augen haben. So werden wir sensibel für unsere Fehler und lernen, an uns zu arbeiten; sensibel aber auch für all das Schöne und Gute, das wir wie selbstverständlich Tag um Tag empfangen, und so wächst Dankbarkeit. Mit der Dankbarkeit wächst die Freude, daß Gott uns nahe ist und daß wir ihm dienen dürfen.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle - bevor ich die weiteren Schritte der lebenslangen Formation beschreibe, ein wenig Einblick bieten, wie es denn so in einem Priesterseminar, konkret in unserem Überdiözesanen Priesterseminar Leopoldinum in Heiligenkreuz zugeht.
Im Moment sind in unserem Haus 38 Seminaristen, in den verschiedenen Stufen der Ausbildung. Wir haben auch einen Diakon bei uns, der bald mit den Studien fertig ist. Einige werden im Frühling ihr Studium abschließen, sodaß wir uns wieder auf eine Diakonenweihe freuen können. Aber einige sind auch noch im Vorbereitungslehrgang, absolvieren die Studienberechtigungsprüfung, um dann ein ordentliches Studium machen zu können.
Neben den Studien - auf unserer päpstlichen Hochschule Benedikt XVI. gibt es Anwesenheitspflicht bei allen Vorlesungen - also fast wie in der Schule! - kommt der Formation im Priesterseminar eine große Bedeutung zu.
Unser Tag beginnt um 6.30 mit den Laudes, also dem kirchlichen Morgengebet, und einer Betrachtung. Oder wir feiern gemeinsam die Heilige Messe. Danach ist Möglichkeit zum Frühstück. Die Vorlesungen beginnen um 8.00 und sind um 11.45 zu Ende. Um 12.00 versammeln wir uns zum Angelusgebet und zur Sext in der Kapelle, anschließend ist gemeinsames Mittagessen in unserem Refektorium, dem Speisesaal. Nach den Nachmittagsvorlesungen, die von 14 bis 17.45 dauern, versammeln wir uns um 18.00 Uhr zur Vesper oder zur Hl. Messe in der Kapelle. Danach ist Abendessen. Um 19.30 gibt es entweder Eucharistische Anbetung oder Bibelrunde oder andere Ausbildungseinheiten, teils von der Hochschule, teils intern im Seminar.
An einem Samstag im Monat ist Einkehrnachmittag, den zumeist unser Spiritual hält, die Sonntagsmesse wird dann auch gemeinsam im Seminar gefeiert. Die übrigen Wochenenden sind abwechselnd Heimfahrtwochenenden oder Praxis- und Missionswochenenden mit Einsatz der Seminaristen in Pfarren oder bei anderen Möglichkeiten des missionarischen Wirkens.
Natürlich haben wir auch Ferien, über Weihnachten, etwa 2 Wochen im Februar und 2 Wochen zu Ostern, sowie die Sommerferien von Anfang Juli bis Ende September.
Die Ferien sind aber vielfach ausgefüllt durch Praktika in den Heimatseminaren oder Ordensinstituten.
Zur Zeit haben wir in unserem Priesterseminar Priesteramtskandidaten aus Vietnam, Weissrussland, Ukraine, Südtirol, Österreich, Slowakei, Deutschland, Schweiz und Liechtenstein. Wir erwarten in naher Zukunft wieder Semianristen aus Afrika und einen Priester aus Haiti.
Viele verschiedene Sprachen werden gesprochen, viele Mentalitäten treffen aufeinander. Ja, manchmal prallen sie auch aufeinander. Aber jeder kann vom anderen lernen, kann daran reifen, kann seine eigene Identität und Berufung prüfen, fördern und stärken.
Das Haus wird von mir als Regens bzw. Direktor geleitet. Mir zur Seite steht ein Subregens. Für das geistliche Leben, das sogenannte Forum internum ist unser Spiritual verantwortlich, dem ein Vizespiritual zur Seite gestellt ist. Eine Sekretärin und 2 Haushaltshilfen sowie eine halb ehrenamtliche Gärtnerin runden das Bild. ab.
Wer glaubt, dass es in einem Seminar todernst zugeht, der täuscht sich völlig. Es wird viel gelacht, es gibt gemeinsame Freizeitgestaltung und auch so manches Fest, das mit großem Eifer vorbereitet wird.
Als Überdiözesanes Priesterseminar sehen wir uns ganz im Auftrag dessen, was die neue Ausbildungsordnung vorsieht. Denn so können Seminargrößen erreicht werden, die oft auf der Diözesanen Ebene nicht möglich wären.
Doch nun zurück zur lebenslangen Formation.
Nach den zwei Etappen der Jüngerschaft und der Gleichgestaltung im Priesterseminar folgt die Etappe der pastoralen Synthese. Kardinal Scherer sagt dazu:
Dieser Abschnitt befindet sich zwischen dem Ende des Aufenthaltes im Priesterseminar und der Priesterweihe. …
Ziele einer pastoralen Etappe sind wie folgt:
- Genaue Kenntnis des pastoralen Lebens der Kirche, nach dem Abschluss des Studiums der Theologie;
-Schrittweise Einbeziehung in die pastoralen Aufgaben und Durchführung der Mission des guten Hirten;
-Fachliche Kenntnisse des kirchlichen Lebens und des priesterlichen Dienstes;
-Beruflich wesentliche Synthese für die Durchführung des priesterlichen Dienstes;
-Teilnahme am Presbyterium mit dem Bischof der Diözese;
Diese prägenden Phase sollte normalerweise in einer Gemeinde außerhalb des Seminars mit Aufsicht durch einen Priester stattfinden, der seine Rolle als Ausbildner gegenüber dem Diakon beachten muss.
Hier beginnt für den Seminaristen, für den Diakon sozusagen „der Ernst des Lebens“. Ist in den Jahren der Seminarausbildung zwar das Praxiswochenende eine gute Gelegenheit, ein wenig in die Pastoral hineinzuschnuppern, so ist der junge Priesteramtskandidat nun in die konkrete Wirklichkeit hineingeworfen.
Nach dieser pastoralen Phase kann dann die Priesterweihe erfolgen.
Doch damit ist noch lange nicht das Ende der Formation, der Ausbildung erreicht. Jetzt kommt - und das ist das Neue an der neuen Ausbildungsordnung - die lebenslange Formation zum tragen.
Bei der Weiterbildung nach der Priesterweihe geht es um lebenslanges Lernen. Es wäre falsch und mißverständlich, wenn man diese Weiterbildung nur als Anhängsel an die Ausbildung im Priesterseminar betrachten würde. Es geht hier um viel viel mehr.
Kardinal Scherer hat dies so zusammen gefaßt:
Lebenslanges Lernen muss die Dynamik des persönlichen Lebens des Priesters und der Ausübung seines Dienstes begleiten. Die Bestimmungen können sich ändern, und dies erfordert die kontinuierliche Vertiefung der Bildung. Auf der anderen Seite das Leben der Kirche, in deren Dienst der Priester. steht, und von ihm einen theologische Synthese ebenso verlangt sowie neue persönliche und berufliche Einstellung gegenüber neuen wechselnden Situationen.
Priesterausbildung kann daher nie beendet sein. Selbst der Apostel Paulus hat zu Beginn der Geschichte der Kirche seinen jungen Schüler Timotheus ermahnt, das Geschenk nicht zu vernachlässigen, das er erhalten hat durch das Auflegen der Hände (vgl. 1 Tim 4,14). Die Flamme der priesterlichen Berufung verlöscht, weil die Hitze erlischt.
Die ständige Weiterbildung der Priester ist eine Pflicht und ein Recht auf solche Priester, aber es ist auch ein Recht des Volkes Gottes.
In diesem Bereich der Weiterbildung gibt es viele Aspekte wie die jährlichen Exerzitien, aber auch Brüderliche Treffen, gemeinsame Vorbereitungen, usw.
Ganz wichtig sind hier die ersten Priesterjahre, wo der Bischof besonderes Augenmerk auf die Begleitung der jungen Priester legen soll.
Sie sehen schon, liebe Hörerinnen und Hörer, das Thema der Berufungsseelsorge, der Begleitung der Seminaristen und Priester ist sehr komplex und könnte ganze Wochenexerzitien füllen. Ich hoffe, dass ich Ihnen einen kleinen Einblick geben konnte.
Nochmals mein Appell an Sie alle. Beten Sie um Berufungen, beten Sie um Arbeiter für den Weinberg des Herrn. Und beten sie für die Priester, die tagtäglich ihren Dienst tun, dass sie ein glückliches und erfülltes Leben haben, dass sie andere mit ihrer Begeisterung und ihrem Glauben anstecken, dass sie den Mut haben, junge Menschen darauf anzusprechen, selbst den Berufungsweg zu gehen.
Ich möchte mit den Worten schließen, die Bischof Felix Genn an das Ende seines Vortrages gestellt hat:
Priesterliche Existenz kann als Weg aufgefasst werden, der lange vor der Priesterweihe beginnt, aber auch mit dem Empfang der Priesterweihe nicht abgeschlossen und am endgültigen Ziel schon angelangt wäre, sondern ein ununterbrochener Weg ist, der mit jedem Schritt erneut Hinwendung zu Jesus Christus vollzieht.
Und Sie alle, liebe Hörerinnen und Hörer dürfen teilhaben an diesen wunderbaren Berufungswegen! Zeigen Sie ihrem Heimatpfarrer ihre Wertschätzung, freuen sie sich mit ihm über seine Berufung. Und bete Sie ohne Unterlass, dass in vielen jungen Menschen der Entschluss reifen möge, ihrer Berufung zu folgen.