30. Sonntag im Jahreskreis B - 28. Oktober 2018

Liebe Schwestern und Brüder, versammelte Gemeinde!

„Jubelt Jakob zu“ - „Singt: Der Herr hat sein Volk gerettet!“ - Diesen Aufruf haben wir aus der ersten Lesung vernommen. Ein Aufruf, den wir auch wirklich in die Tat umsetzen müssen. Wir sind nicht hier zum Gottesdienst versammelt, weil wir einfach „eine Pflicht“ abdienen.

Wir sind nicht dazu versammelt, uns im „geschützten Rahmen“ der Kirche gegenseitig etwas vorzuspielen. Auch wenn die Feier der Liturgie heiliges Schauspiel ist, zuerst ist sie ein großartiges Gnadengeschenk des Herrn an uns, will uns näher bringen, uns verständlich machen, wie Gott uns als barmherziger Vater, als Retter entgegen kommt. Und sie will uns die Kraft und den Mut geben, hinaus zu gehen, zu jubeln über Gottes große Taten, durch unser Wort und mehr noch durch unser Beispiel, unser Tun,den Menschen zu verkünden, dass Gott Retter, Erlöser, Heiland ist. Wir dürfen hier Maß nehmen an der Seligen Märtyrernonne Maria Restituta Kafka, deren liturgischen Gedenktag, den Jahrestag der Verkündigung des Todesurteils gegen sie, wir am 29. Oktober feiern. Sie hat, wie auch das Tagesgebet der Messe am Gedenktag sagt, „bis in den Tod für den Glauben und die menschliche Würde gekämpft“. 

 

Um einen solchen Kampf zu bestehen, ist es wichtig, zuerst auch sich selbst zu kennen, im Licht unseres Erlösers Jesus Christus uns selbst kennen zu lernen, mit unseren Stärken und Schwächen, mit unseren Freuden und Hoffnungen, unser Trauer, unser Angst, damit wir bereit sind und die Kraft haben, so wie Restituta für Glauben und Menschenwürde einzutreten und zu kämpfen. 

So können wir das Evangelium heute auf verschiedene Arten betrachten. Wir können einfach staunend wahrnehmen, wie Jesus wieder einmal ein Wunder gewirkt hat, eines unter vielen, sicher viel mehr als die Heilige Schrift aufgezeichnet hat, da ja Johannes selbst sagt, alle Bücher der Welt könnten die Geschehnisse nicht fassen. Wir staunen also über das Wunder, wir beobachten die handelnden Personen - und dann gehen wir wieder zur Tagesordnung über, ohne wirklich berührt zu sein, was uns die Schrift sagen will. 

Ein wenig habe ich manchmal diesen Eindruck auch beim Predigen. Da scheint es, dass manche Zuhörer nur auf das „Amen“ am Schluss warten, um mit einem raschen „Vergelts Gott“ abzuschließen, was sonst ihr Leben berühren, vielleicht sogar hinterfragen, ja schlimmstenfalls verändern könnte. 

Beim Evangelium der Heilung des blinden Bartimäus stehen wir schnell in der selben Gefahr. Ok. Da war ein Blinder, Jesus hat ein Wunder gewirkt, der Blinde sieht wieder. Erledigt. Abgehakt, weiter zur Tagesordnung. 

Wir können dieses Evangelium aber auch ganz anders betrachten. Und zwar, indem wir uns zuvor die Frage stellen: „Bin ich vielleicht dieser Bartimäus?“

Nicht, weil ich physisch blind bin, sondern weil Blindheit eine viel tiefere Dimension haben kann. Oder, indem wir uns fragen: „Bin ich vielleicht einer der Menschen, die dem Bartimäus das Schweigen gebieten?“ Weil wir mit Jesus eine heile Welt in der Kirche haben wollen, weil wir uns nicht eingestehen wollen, dass es Hilfsbedürftigkeit, Not und Elend, auch in unserem unmittelbaren Umfeld gibt. Denn da müssten wir ja handeln - das ist doch Christenpflicht. Also lieber die Probleme negieren, dem Bedürftigen das Schweigen gebieten, und selbst weiter heile Welt spielen…. Wieder hilft uns ein Blick auf die selige Restituta, die zur Not nicht geschwiegen hat, die selbst tätig geworden ist, sich hat anrühren lassen vom menschlichen Leid, ob vom Schmerz der Krankheit oder vom Seelenschmerz der ihr anvertrauten Patienten. Und die mit ihrer ganz persönlichen, charakteristischen Art den Menschen die Hoffnung auf den Erlöser ins Herz gelegt hat, mit dem Blick und dem Hinweis auf das Kreuz Christi, diesem Zeichen des Heils. 

Bleiben wir einmal in der Person des Bartimäus. Lassen sie mich ein wenig phantasieren: Da sind wir in unserer Welt des 21. Jahrhunders. Eine Welt, die ich gar nicht eintauschen möchte gegen eine andere. Die Technik hilft uns in vielen Bereichen des Lebens, ist uns selbstverständlich geworden. Vermutlich wären wir nicht mehr so richtig lebensfähig ohne Kühlschrank und Heißwasserspeicher, ohne Elektroherd und Zentralheizung, ohne Navigationssystem im Auto und Mobiltelefon. Und doch: Wir können mit unseren Teleskopen bis ins tiefeste Weltall schauen, wir erreichen per Technik den entferntesten Menschen auf dieser Welt binnen Zehntelsekunden - doch der Abstand zu unserem Mitmenschen, zum Mitbruder, zur Mitschwester im Kloster, vielleicht zum eigenen Ehepartner, zum Kind, zum Nachbarn ist unendlich groß geworden. Wir sind zwar sehr schnell, jemanden auf Facebook zu unserem „Freund“ zu erklären, aber wissen eigentlich nicht mehr, was wahre Freundschaft bedeutet. Wir können in die kleinsten Zellen, ja in die Atome der Materie hineinschauen, aber wir sind blind geworden für die Wirklichkeit, die vor uns liegt. Blind für das Gesamtbild des Menschen als Ebenbild Gottes, blind für seine Bestimmung. Blind dafür, dass diese Welt einen Weg hin zur Vollendung, zur Zukunft mit dem Herrn geht. Wenn den Mönchen im Kloster, den Priestern in den Gemeinden, aber letztlich jeden Christen aufgetragen ist, abends eine Gewissenserforschung zu machen, nachzudenken, ob dieser Tag ein guter Tag im Leben war - weil er niemals wiederkommt, nie mehr wiederholt werden kann, und weil aus diesem Tag die Lehre für den nächsten gezogen werden kann, damit wir die Zukunft besser gestalten können als die Vergangenheit - so verzichten wir doch oft lieber auf diese Gewissenserforschung, frei nach dem Motto: „ich hab so viel schlechtes über das Rauchen gelesen, dass ich mit dem LESEN aufgehört habe“. Und mit diesem Verzicht, die Vergangenheit unter dem Licht Gottes zu betrachten, werden wir blind für die Zukunft, die Gott uns schenken will, hier auf der Erde und in der Ewigkeit. Und Blindsein für die Ewigkeit sollte uns doch als größte Katastrophe vor Augen stehen, wenn wir die radikale Diesseitigkeit unserer Zeit betrachten. 

Als Blinder  wie im Evangelium können wir aber den Herrn rufen: „Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir!“ Und mit ein wenig Glück überhören wir dann auch nicht die Einladung Jesu, zu ihm zu kommen. Und mit seiner Gnade können auch wir unseren schweren Mantel abwerfen, all das Schwere dieses Lebens, das uns am Boden festnagelt, die Sorgen und Nöte und Schicksalsschläge, die wir höchstens mit einem Warum beantworten konnten. Aber auch all das Sinnlose, das sich in unserem Leben angesammelt hat, ob Materielles oder nicht. Einfach abwerfen, um frei und ungehindert dem Herrn entgegen laufen zu können. 

Und dem Herrn die Bitte entgegenrufen: Ich möchte wieder sehen können! Hineinschauen können in den Sinn meines Lebens, hineinschauen in die Zukunft, die Gott mit mir gemeinsam gestalten will. Hineinschauen in das Leben, das eben nicht in die Sinnlosigkeit des Todes stürzt, sondern in das Licht Gottes münden soll. 

Wenn wir diesen ersten Glaubensimpuls setzen, dann wird Jesus auch uns sagen: „Geh! Dein Glaube hat dir geholfen“. Und wir werden wieder sehen können, einen neuen Blick für unser Leben gewinnen, den Nächsten nicht mehr ÜBERsehen, und in die Nachfolge eintreten, wie der eine im Evangelium, der wir alle täglich neu sein könnten. Die selige Martyrin Restituta, die im wahren Sinne sehen gelernt hat in ihrem Leben, soll uns dazu Fürsprecherin sein. 

Amen. 

 

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